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Fotoprobe “Hold Your Breath”. © Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

Fotoprobe “Hold Your Breath”. © Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

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Bildungsgesättigtes Apokalypsenspiel – „Hold your Breath“ bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt

Vorspann / Teaser

Vor Jahren ging der Wunsch der Festspielleitung in Erfüllung: Eine große Werkstattbühne wurde ans Festspielhaus angebaut. Dort wird seither die zeitgenössische Moderne gepflegt, meist mit einer Uraufführung. Diesmal kam Ex-Intendant David Pountney als Librettist und Regisseur seines neuen Opus „Hold your breath“ zurück.

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Verständlich, den höchst erfolgreichen Festspielleiter sich jetzt auch als Künstler präsentieren zu lassen. Pountney forderte vorab auf, alle Theater-Konventionen zu vergessen und sich der emotionalen und sinnlichen Erfahrung hinzugeben. Also war das weite Quadrat der Werkstattbühne freigeräumt. Um die große Spielfläche waren an den Seitenwänden vier kleine Sitzpodien verteilt. Acht Live-Musiker des Symphonieorchesters Vorarlberg wurden kurz auf Podien in die vier Saalecken geschoben. Aus einem exzellenten BOA-Lautsprechersystem tönten zusätzlich elektronische Teile der Komposition: Éna Brennans Mischung aus Kantablem, Filmsound, Dissonantem und Aufnahmen eines Bregenzer Unwetters sowie aus neun Metern Tiefe des Bodensees. All das war akzeptabel zu hören, nie packend oder gar überwältigend. Das lag aber nicht an den guten Stimmen – alle von Dirigentin Karen Ni Bhruin souverän von einem Extra-Podium und auf x Bildschirmen souverän geleitet. 

Doch auch die performative, die ganze Saalfläche nutzende, letztlich aber schlichte „body-action“ der acht unkonventionell gemischten Sänger und Tänzer, von Choreografin Caroline Finn geführt, faszinierte nicht. Auch die seitlich projizierten Textteile vor austauschbarem Bildhintergrund konnten nicht fesseln. So blieb als beeindruckender Mittelpunkt der riesige, im Saalhimmel schwebende siebenarmige Tintenfisch, der sich herabsenkte, seine Arme verlor und als zusammengerollter „Müll“ übrigblieb. Diese Saalausstattung samt bemaltem Boden und Kostümen hatte der portugiesische Raum-Künstler Hugo Canoilas gestaltet. Darin durfte und sollte ein Teil des Stehplatzpublikums umherwandern – was viele erfreut-amüsiert-überraschte Gesichter zur Folge hatte.

Ein bisschen „neu“

All das sollte sich so mischen, weil David Pountney sich auf die Form von Henry Purcells „Masques“ besonnen hatte: jene varietéhaft bunte, keiner stringenten Handlung folgende, damals höfische Unterhaltungstheatralik. Wenn Pountney dabei zu märchenhafter Poesie oder für Hier und Heute auf Monty-Python-Höhen aufgelaufen wäre – die sechzig Minuten hätten begeisterten Jubel ausgelöst. Doch Pountney mixte: Handy-Tablet-Fixierung, gesellschaftliche Spaltung in „Rot“ und „Schwarz“, Normierung bei Daten-Verlust, tödliche Alterseinsamkeit, Angst und Panik-Attacken, Naturzerstörung … final dann die Aufforderung an das gesamte Publikum, seinen „vergifteten“ Atem anzuhalten und still den Saal zu verlassen … Schlussbeifall und Verbeugung also erst draußen im Foyer.

All das war ein bisschen „neu“ – aber wie in Pountneys kruder Mischung von Abraham Cowleys „Verfluchtem Land“-Poem mit dem englischen Kinderlied „Who killed Cock Robin?“ aus dem 18. Jahrhundert wurden letztlich brennende, hochpolitische Themen eben mal so angerissen – alles führte nicht in einen wie auch immer märchenhaften Abgrund, führte nicht zu Eliots „Waste Land“ oder Orwells „1984“ – und der Schlussausmarsch könnte auch bitter und böse als angeleitet gesamtgesellschaftlicher, neoliberal-geschönter „Auszug auf einen Planeten B“ kritisiert werden. Der zeitkritisch wache Theaterliebhaber kann da nur sagen: Bitte so nicht!

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