Die immer wieder diagnostizierte, oft beklagte und mit aufwändigen Vermittlungsprogrammen zu überbrücken versuchte Kluft zwischen der aktuellen Musikproduktion und der dominierenden Rezeption von alter Musik und Unterhaltungsmusik durch die breite Öffentlichkeit reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert.
Schon die Idee der absoluten Musik und der romantische Genie- und Werkbegriff bargen mit der Lösung der Kunstmusik von kirchlichen, politischen und sonstigen Funktionalisierungen den Keim zur Trennung des zeitgenössischen Musikschaffens von der Gesellschaft. Der Historismus des 19. Jahrhunderts und die modernen Speicher- und Wiedergabemedien des 20. Jahrhunderts taten ein Übriges, die Jahrhunderte alte Produktionskultur, die ausschließlich aktuelle Musik spielte und schätzte, zur fast ausschließlichen Reproduktionskultur zu verkehren.
Einseitige Schuldzuweisungen können die Störung des Gleichgewichts von Alter und neuer Musik nicht erklären. Weder ist einseitig das Publikum verantwortlich zu machen, das sich gegenüber stilistischen Veränderungen ablehnend gezeigt und den Anschluss an neue Entwicklungen verpasst hätte, denn selbstverständlich erwartete die Hörerschaft immer auch Novitäten. Noch liegen die Ursachen einseitig bei den Komponisten, die mit den traditionellen musiksprachlichen Codes der tonalen Musik dem Publikum mutwillig den Boden der Verständigung entzogen hätten. Versagt haben könnten auch ignorante Interpreten, Verleger und Veranstalter, die sich auf die lukrativere Vermarktung der popularisierten Klassiker und Romantiker konzentrierten, statt mutig dem Neuen den Weg zu bahnen. Ähnliches gilt von den in historischen Kategorien befangenen Musikologen und Pädagogen.
Doch schon im 19. Jahrhundert und dann vor allem nach dem Ersten Weltkrieg wurden spezielle Vereine und Festivals für Neue Musik gründet: Schönbergs Wiener „Verein für musikalische Privataufführungen“ (1918), die „Donaueschinger Kammermusiktage“ (1921), die „Kölner Gesellschaft für neue Musik“ als eine der ersten Regionalvereine dieser Art (1921) sowie die „Internationale Gesellschaft für neue Musik“ (1922). Statt auf Abschottung vom allgemeinen Musikleben, wie oft kritisiert, zielten die Initiativen ausdrücklich auf die Förderung und Vermittlung Neuer Musik gegenüber einem breiten Publikum durch mustergültige Aufführungen, Vernetzung der Akteure, Bündelung von Kräften sowie Publikationen, Gesprächs- und Informationsveranstaltungen. Dasselbe gilt heute für die vielen großen und kleinen, lokalen, regionalen und internationalen Musikfestivals in Donaueschingen, Witten, Berlin, München, Köln, Bonn, Schwaz, Rümlingen oder – wie jetzt im eigentlich an Musikfestivals armen Februar – in Münster, Kiel und Stuttgart.
Uraufführungen
- 31.1.–13.02.: KlangZeitFestival Münster, neue Werke von Nam-Kuk Kim und Helmut Oehring
- 04.–07.02.: Chiffren – Kieler Tage für neue Musik, neues Stück von Orm Finnendahl
- 05.02.: musica viva, neue Werke von Moritz Eggert, Mathias Spahlinger, Brice Pauset, Herkulessaal München
- 11.–14.02.: Eclat – Festival Neue Musik Stuttgart: neue Werke von Beat Furrer, Nikolaus Brass, Claus-Steffen Mahnkopf, Evdokija Danajloska, Saed Haddad, Johannes Schöllhorn, Wieland Hoban, Jörg Mainka, Wilhelm Killmayer, Philippe Manoury, Daniel Smutny, Markus Hechtle, Theaterhaus Stuttgart
- 13.02.: Hans Ulrich Engelmann, Transfonia, Akademie für Tonkunst Darmstadt
- 16.02.: Cornelius Schwehr, Dichterlos, Morat-Institut Freiburg i.Br.
- 22.02.: Peter Eötvös, Die Tragödie des Teufels – Komisch-utopische Oper, Bayerische Staatsoper München
- 26.02.: Shôko Shida, Prediction für Marimba, Yogen (Oracle) für Klavier, Japanisches Kulturinstitut Köln
- 28.02.: Aribert Reimann, Medea, Staatsoper Wien