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Der Komponist Klaus Huber. Foto: Martin Hufner
Der Komponist Klaus Huber. Foto: Martin Hufner
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Das absolute Jetzt – Eröffnungskonzert von Ultraschall mit Werken von Holliger, Carter, Widmann und Huber

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Janus war der Gott des Anfangs und des Endes, der Türen, Schwellen und Scharniere. Im Zeichen des doppelten Gesichts stand das Eröffnungskonzert der diesjährigen, neuerdings zu fünf Tagen komprimierten Ausgabe des Festivals Ultraschall von Deutschlandradio Kultur und Radio Berlin Brandenburg. Die „usual suspects“ unter den Komponisten-Interpreten Heinz Holliger und Jörg Widmann sollten da natürlich nicht fehlen.

Anders als Mozart in seiner Sinfonia concertante betrachtet Heinz Holliger Geige und Bratsche in seinem Doppelkonzert Janus für Violine und Viola und kleines Orchester (2010/11) als die zwei gegensätzlichen Gesichter des Streicherklangs. Schon die Aufstellung extrapoliert den Orchesterapparat in Stimm- und Klangcharaktere: auf der Geigenseite Helles, Klirrendes, Flirrendes wie Flöte, Piccolo, Harfe und metallische Perkussion. Dunkles, warm Klingendes wie tiefere Holzbläser, Celli, Pauken dagegen auf der Seite der Bratsche. Sie wirken wie Erweiterungen des Soloinstruments, wie ein Echoraum, in dem sich der schon gespaltene Streicherklang in seine weiteren Einzelkomponenten zersetzt. Wie eine Sopran- und eine Altstimme lassen die Solisten Thomas Zehetmair und Ruth Killius die Instrumente in ihrem Extremcharakter aufgehen. Aber beim sauberen Kontrast bleibt es nicht. Die Extreme nähern sich, driften wieder auseinander, verzahnen sich in einem versetzten „Rennen“ zwischen Geige und Bratsche wie ein Reißverschluss und finden in einem Klageduo zueinander. So scheint es zumindest. Aber Holliger hat das Ohr schon so auf die Kontraste geschärft, dass die beiden Streicher zu zwei verzweifelten Königskindern werden, vor allem, wenn Zehetmair nur noch auf den tiefen Saiten in hohen Lagen spielt. Ein sehr erlebnisreiches Werk, mit viel Spannung und Plastizität gespielt, bei dem auch das Publikum langsam warm wird. Aus Krankheitsgründen zeigte Holliger an diesem Abend im Sendesaal des RBB nur sein Komponistengesicht. Das Dirigat des Deutschen Symphonieorchesters übernahm bewundernswert kurzfristig Wolfgang Lischke.

Die klassische Form des Instrumentalkonzerts befragt auch Elliot Carter in seinem Clarinet Concerto (1996). An die Stelle der Gegenüberstellung von Individuum und Kollektiv tritt eine Legierung der Klarinette mit verschiedenen Instrumentalgruppen, für die der Solist Jörg Widmann jeweils seine Position wechselt. Was sich vor allem dank Widmanns sensibel nuanciertem Spiel klanglich attraktiv gestaltet, erweist sich in seiner Gesamtstruktur von sieben Stationen und Konstellationen als eher schwer zugänglich. Man bleibt bis zum Schluss Zaungast.

Während der Abend zwei Gesichter im Umgang mit Instrument, Klang und Form zeigt, wandert das Programm selbst von Pol zu Pol: Was mit gefällig geschliffener Reduktion in Jörg Widmanns rückwärtsgewandten fünf Bruchstücke für Klarinette und Klavier (1997) beginnt, endet mit Klaus Hubers Tenebrae für großes Orchester (1967) in einer radikalen Stellungnahme zum „Jetzt“ unter Zuhilfenahme aller dazu erforderlicher Mittel. Zwischen dreisätziger Sinfonie und Passion bewegt sich Hubers Werk, das in seinen unmittelbaren Ausbrüchen ebenso viel rohe Kraft bündelt wie in den Inseln der Stille, die sie trennen. Vollkommen unbeschönigt setzt Lischke diese Kraft im Orchester frei. Während die Streicher den Boden unter den Füßen mikrotonal unsicher machen, fahren gedrungene Perkussionsklänge und schonungslose Celesta-Hiebe durch Mark und Bein.

Dass das Jetzt nicht 2014, sondern das damalige Jetzt von 1968 ist, verliert an Bedeutung. Die direkte Ansprache und kompromisslose Expressivität von Hubers Musik, die hier auf zwei in sich verschränkten Reihen aufbaut, ist so eindringlich, dass aus dem damaligen Jetzt ganz selbstverständlich ein absolutes Jetzt wird. Deutlicher könnte es sich nicht zeigen: was ein Werk frisch und relevant macht, ist sein innerer Impetus. Huber, mittlerweile hochbetagt, erinnert sich in einem einführenden Gespräch an die Uraufführung in Warschau 1968, an die gespannte Situation des Kalten Krieges, die alles durchdrang, auch seine Komposition. Dennoch betont er: „Ich habe nie ein rein politisches Werk geschrieben. Es waren einfach finstre Zeiten.“ Möchte man zeitgenössische Musik auch als Barometer weltpolitischer Spannungen verstehen, drängt sich unwillkürlich die Frage nach dem Heute auf. Aus der Zeit gefallen wirkt die Dringlichkeit von Hubers Tenebrae jedenfalls nicht.

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