Mit dieser besonderen „Rarität“ aus der Mozartzeit und der Verpflichtung von Markus Lüpertz für Bühne und Kostüme hat das Regensburger Theater mehr als nur einen PR-Coup gelandet, findet Juan Martin Koch:
Opernausgrabungen im Umfeld Mozarts haben in der Regel alle das gleiche Problem: Mozart. Denn meist dienen sie am Ende doch nur der wenig überraschenden Erkenntnis, dass seine Opern einfach um Lichtjahre besser, tiefgründiger, witziger, kurz: zeitlos sind. Paradebeispiel einer solchen nicht mehr als gut gemeinten Ausgrabung könnte „Una cosa rara“ von Vicente Martín y Soler sein. 1786 uraufgeführt, feierte das „dramma giocoso“ auf ein Libretto Lorenzo da Pontes einen durchschlagenden Erfolg, der Mozarts ein halbes Jahr zuvor herausgekommenen „Figaro“ in den Schatten stellte.
Mehr als eine Ahnung davon gegeben zu haben, warum das passieren konnte, ist indes nun das große Verdienst des Regensburger Theaters. Mit der Verpflichtung von Markus Lüpertz für Bühnenbild und Kostüme ist ihm nicht nur ein überregional beachteter PR-Coup gelungen. Im Gegensatz zu ähnlichen Versuchen mit Promis der bildenden Kunst andernorts drängt der Malerfürst sich hier nicht in den Vordergrund, sondern stellt sich mit Witz in den Dienst der Sache: Seine naiv-derben, grobpinseligen Entwürfe, die Ruth Groß wunderbar ins Bühnenformat gesteigert hat, nehmen mit ihrem Farbreichtum den pastoralen Grundtonfall ernst und ironisieren ihn zugleich ins Kasperltheaterhafte.
Regisseur Andreas Baesler muss dann eigentlich nicht viel mehr tun, als die köstliche Kulisse für das hinsichtlich der dramaturgischen Komplexität und Rafinesse überschaubare szenische Durcheinander entsprechend zu nutzen: Da schießt Königin Isabella auf der Jagd putzige Wildschweinattrappen verschiedener Größe ab, die auf der Drehbühne rotierenden Büsche dienen als Versteck, Pappkameraden als Verkleidung, und der blasierte Infant Giovanni schmachtet oben aus der Baumkrone die Dorfschönheit Lilla mit der Mandoline an.
Natürlich hält die von drei auf zwei Stunden gekürzte Musik Martín y Solers dem Vergleich mit Mozart nicht durchweg stand, aber die Anmut seiner Melodien, sein feiner, punktgenauer Witz und das vereinzelt aufblitzende spanische Kolorit machen durchaus klar, warum das Stück seinerzeit so einschlagen konnte. In manchen Stimmungen meint man gar, das themenverwandte Mozart/da Ponte-Meisterwerk „Così fan tutte“ vorauszuahnen. Umgekehrt gibt es im ersten Akt ein „Déjà-vu“ mit Mozarts „Voi che sapete“ aus dem „Figaro“, das in Regensburg mit einer Stimme aus dem Off entsprechend zelebriert wird. Im Finale erkennt man dann erfreut die Passage, mit deren Zitat Mozart seinem Kollegen gegen Ende des „Don Giovanni“ ein die Zeiten überdauerndes Denkmal setzte.
Christoph Spering hatte in dieser zweiten Vorstellung etwas Mühe, das quirlige Geschehen auf der Bühne mit dem Graben zu koordinieren. Das Philharmonische Orchester leistet dort allerdings transparent und spritzig gute Arbeit. Gesungen wird durchweg ausgezeichnet, die Rezitative kommen flott und fein durchgearbeitet über die Rampe (Cembalo: Jooa Jang). Theodora Varga verleiht der Isabella die nötige augenzwinkernde Grandezza und sorgt mit ihrer (vergleichsweise) großen Szene im zweiten Akt, in der sie sich der umständlichen königlichen Kleiderordnung entledigt, für einen innigen, nachdenklichen Moment. Angelo Pollak als Giovanni hat sichtlich Lust am überdrehten Spiel und hörbar die tenorale Flexibilität für den passenden Gesangspart. Die Schäferpaare sind mit der höhengeschmeidigen Anna Pisareva (Lilla), dem kernig-souveränen Seymur Karimov (Lubino), der brillant kecken Sara-Maria Saalmann (Ghita) und dem soliden Mario Klein (Tita) trefflich besetzt. Wunderbares Ensembletheater – ein rares Vergnügen.