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„Experimentierfeld: Frauen-Musik“ hieß 1984 das erste Kölner Musikfest, das von Frauen für Frauen organisiert wurde. Nach 14 Jahren sahen Gisela Gronemeyer und Deborah Richards die Zeit für gekommen, um zusammen mit dem „Frauenkulturbüro NRW e.V.“ sowie der wissenschaftlichen Unterstützung von Prof. Dr. Martina Homma eine Neuauflage zu versuchen. Die Aufbruchstimmung von damals ist ihnen abhanden gekommen. Heute empfinden die Organisatorinnen vielmehr schmerzhaft den Widerspruch, ein „Frauenmusik“-Festival eigentlich nicht zu wollen, angesichts der insgesamt stagnierenden Entwicklung aber dennoch machen zu müssen.
Das veranstaltende „Frauenkulturbüro NRW e.V.“ hofft unbeirrt auf Resonanz. Wenn sie ausbleibt, liegt dies – so der beherrschende Eindruck des Festivals – an allem anderen, nur nicht an der sogenannten Qualitätsfrage. Wer hinhörte, ohne hinzusehen, erfuhr während des mit dem Ensemble Modern, dem Minguet-Quartett, dem Ensemble Resonanz und den zum ersten Mal in Köln gastierenden Stuttgarter Vokalsolisten prominent besetzten, von WDR und Deutschlandfunk zum Teil mit Liveübertragungen begleiteten, mehrtägigen Festivals erst beim Blick ins Programmheft oder beim Schlußapplaus, wer wer ist. Wie auch anders? Selbst wenn, wie in Köln geschehen, Sympathisanten der feministisch-korrekten Denkweise, Kenner und Liebhaber zeitgenössischer E-Musik die Publikumsmehrheit bildeten, das Hinhören auf ungemein fesselnde, intensive Kompositionen ließ viele Schlußfolgerungen zu – den Einfluß von Schulen (Carola Bauckolt, diesjährige Preisträgerin des Künstlerinnenpreises, mit ihrem kageligen „Treibstoff“), das Reformulieren von Traditionen (die Vietnamesin Tran Kim Ngoc mit „Phuc Hon“, die Koreanerin Song-On Cho mit „Soft and Cold“), das Festhalten an archaisch strengen Großformen (Galina Ustwolskaja mit ihrer unsinfonischen 5. Sinfonie „Amen“) – alles dies, nur eben nicht den Schluß aufs Geschlecht. Wenn Frauen aber so gut wie Männer komponieren – warum dann überhaupt ein eigenes Festival? Warum eine gesonderte Veranstaltung, die Frauen als Komponistinnen präsentiert? Weil Hinhören, ohne hinzusehen, ein glücklicher Sonderfall bleibt. Musik, die Kunst fürs Ohr, wird erfahrungsgemäß scharf beäugt. Wer singt? Wer spielt? Vor allem aber: Wer komponiert denn da?! Daß Frau komponiert – immer schon und nur seit jüngster Zeit immer widerwilliger im Verborgenen – hört kein Mensch. Konnte er noch nie. Denn was, bitte schön, ist „feminin“, was „maskulin“ in und an einer Musik? Gibt es „weibliche“ Akkorde, „männliche“ Instrumentierung? Zwei Jahrzehnte Gender Studies haben die Zweifel verstärkt: dies sind Bilder, die uns als ordentlich erzogene Zivilisationsmenschen zur zweiten Natur geworden sind und die wir wie einen hartnäckigen Reizhusten einfach nicht loswerden.
Den vernagelten Forscherköpfen zum Trotz: Das Weibliche bleibt (auch) in der Musik ziemlich unbeschreiblich – wie berufene Stimmen (N. Hagen) künden. Andererseits galt die besondere Aufmerksamkeit auch in Köln dem „ureigensten Instrument der Frau“, der Stimme. „Das Schweigen brechen“ (Pauline Oliveros), die Stimme erheben – dieses Thema wurde eine Woche lang nach allen Seiten variiert. Interpretinnen wie die amerikanische Stimmexperimentatorin und Stimmakrobatin Lauren Newton oder die impulsive Deutsch-Spanierin Maria de Alvear zelebrierten neben Sängerinnen aus Sibirien und aus Marokko ihre obsessiven „Vokalen Rituale“.
Doch nicht minder wichtig war den Organisatorinnen, die stilistische Vielfalt einer von Frauen komponierten Musik in Geschichte und Gegenwart zu demonstrieren. Späte Neuentdeckungen konnten so nicht ausbleiben. Überhaupt war man, wie Eva Weissweiler auf dem Symposion anmerkte, schon einmal ein Stückchen weiter. Höchst aufschlußreich sei in diesem Zusammenhang der Vergleich zwischen der „Neuen Zeitschrift für Musik“ Jahrgang 1858 mit der des Jahrgangs 1958.