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E.T.A. Hoffmann im Selbstporträt. Foto: Wikimedia Commons
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Der Berliner „Triogipfel E.T.A.200“ würdigte den Jubilar Hoffmann und das Klaviertrio

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Beim „TRIOGIPFEL E.T.A.200“ trafen am 19. November drei renommierte Klaviertrios und eine Schauspielerin im KühlhausBerlin zu einem mehrstündigen Konzertabend aufeinander, um den Schriftsteller und Komponisten E.T.A. Hoffmann mit Musik und in Worten zu würdigen. Entstanden ist dabei ein eindrückliches Plädoyer für die Gattung Klaviertrio.

Im Zentrum der vierteiligen Veranstaltung mit dem Titel „Triogipfel E.T.A.200“ stand zunächst einmal die lobenswerte Idee, das Klaviertrio und den Reichtum seines Repertoires anhand historischer und zeitgenössischer Kompositionen zu würdigen. Konzipiert vom Oberon Trio (Henja Semmler, Violine; Antoaneta Emanuilova, Violoncello; Jonathan Aner, Klavier) in Zusammenarbeit mit conc.arts berlin, nahm man den 200. Todestag des Schriftstellers, Musikkritikers und Komponisten E.T.A. Hoffmann zum Anlass, um ein Programm zu entwickeln, das dem Widerhall von Hoffmanns mannigfaltigen Tätigkeiten in Kompositionen des 19. Jahrhunderts sowie in zwei zeitgenössischen Auftragswerken nachspürte. Damit setzte man nicht nur einen Schlusspunkt unter die zahlreichen Veranstaltungen des Hoffmann-Jubiläumsjahres, sondern knüpfte zudem gedanklich an eine wissenschaftliche Tagung an, die das Staatliche Instituts für Musikforschung am 11. und 12. November unter dem Motto „Zeitgenosse Hoffmann“ in den Räumlichkeiten des Musikinstrumentenmuseums Berlin ausgerichtet hatte.

Historische Bezugnahmen

Gemäß der Idee eines Gipfeltreffens führte der „Triogipfel“ drei Ensembles zusammen, deren individuelle Musizierweisen wechselweise die einzelnen Abschnitte des Abends bestimmte. Kombiniert wurde die musikalische Schiene mit thematisch passenden Lesungen aus dem literarischen Schaffen Hoffmanns, dargeboten von der Schauspielerin Stella Maria Adorf. Als visuelles Element traten dazu noch Leinwandprojektionen von historischen Materialien wie Manuskriptseiten oder Illustrationen zu Hoffmann’schen Erzählungen. Das solchermaßen auf Hoffmann und seine Rezeption ausgerichtete, außerordentlich gut durchdachte Konzept entschädigte immerhin für die Wahl der unattraktiven Räumlichkeit im KühlhausBerlin – eine in akustischer Hinsicht problematische Lokalität mit dem brutalistischen Charme einer Tiefgarage, die selbst durch rundum aufgestellte Kerzenleuchter und Stoffbahnen an den Wänden nicht so richtig einladend erscheinen wollte.

Als Ausgangspunkt des Abends fungierte Ludwig van Beethovens Klaviertrio G-Dur op. 70 Nr. 1 („Geistertrio“), dem Hoffmann einst eine seiner berühmt gewordenen Beethoven-Rezensionen gewidmet hatte. Das Oberon Trio überzeugte hier mit teils kernigem und energetisch aufgeladenem, teils aber auch äußerst zartem und von vielen Vibratoabstufungen der Streicher bestimmtem Vortrag. Zwar gingen in der Akustik gelegentlich – insbesondere bei abrupten Dynamikwechseln – einige Nuancen verloren; doch bewies die in Bezug auf die Artikulation geschärfte Ausführung der raschen Sätze, dass man sich sehr gut auf die ungünstigen Rahmenbedingungen des Aufführungsortes eingestellt hatte.

Das Morgenstern Trio (Stefan Hempel, Violine; Emanuel Wehse, Violoncello; Catherine Klipfel, Klavier) bereicherte wiederum die Veranstaltung um eine denkwürdige, gleichfalls adäquat auf die Räumlichkeiten reagierende Interpretation von Robert Schumanns Klaviertrio Nr. 2 F-Dur op. 80. Das erstaunlich klare, von dramatischen Akzenten durchzogene Spiel und seine Prägung durch eine klanglich suggestive Nachzeichnung der wechselnden Tonfälle von Schumanns Musik machten diesen Programmpunkt zu einem Höhepunkt des Abends.

Einen weniger günstigen Eindruck hinterließ hingegen das Amatis Trio (Lea Hausmann, Violine; Samuel Shepherd, Violoncello; Mengjie Han, Klavier) mit seiner Wiedergabe des Trios H-Dur op. 8 von Johannes Brahms: In der hohen Dichte des gemeinsamen Spiels gingen, obgleich der Zugang dynamisch sehr ausgefeilt war, viele feine Details der Komposition verloren. Darüber hinaus zerfiel die Musik aufgrund des mitunter ziellos wirkenden Vortrags in kleine Abschnitte, was auch nicht durch herausragende Momente wie den im Scherzo bis zum Verhauchen geführten Klang aufgewogen werden konnte.

Uraufführungen und Finale

Besonders erhellend geriet die Bezugnahme von Literatur und Musik im Kontext der beiden von Britta Byström (*1977) und Frank Zabel (*1968) für den „Triogipfel“ komponierten Klaviertrios. Der Uraufführung von Byströms dreisätziger „Doppelgänger Music“ ging eine Passage aus Hoffmanns „Elixiere des Teufels“ voraus, die sich mit der Idee des Doppelgängers befasste und damit die Anregung für die Verwendung von Verdopplungen, Klangschatten und Überlagerungen durch die Komponistin offenlegte. Das Morgenstern Trio stellte hierbei seine außerordentlichen Fähigkeiten im differenzierten Umgang mit Klangfarben unter Beweis und formte die oftmals basslosen, in hohen Registern lokalisierten Tonkaskaden, Phrasen und Patterns von Byströms Musik zu einer Abfolge permanent wechselnder, ineinander übergehender Atmosphären.

Die Uraufführung von Zabels drittem, im Untertitel mit „Der Sandmann“ betiteltem Klaviertrio wiederum schloss an die Lesung einer Episode aus Hoffmanns gleichnamiger Erzählung an, wodurch Aspekte in den Mittelpunkt gerückt wurden, die den Komponisten dazu bewogen haben mochten, mit seiner Musik die Frage nach der Uneindeutigkeit von Wahrnehmungen zu umkreisen. Plötzliche Abbrüche und Stimmungswechsel, zerklüftete Akkordpassagen, verhallende Klangwolken und Haltepunkte, aus denen bisweilen fragmentierte Spuren von romantischem Melos herausragten, ließen das einsätzige Stück zu einer interpretatorischen Tour de force werden, die – ein weiterer Höhepunkt des an positiven Eindrücken reichen Abends – das Oberon Trio mit großer Bravour bewältigte.

„Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an“: Das Motto der gesamten Veranstaltung hätte kaum besser zum Ausdruck gebracht werden können als durch die Uraufführungen und den abschließenden Teil des Marathons. In ihm erklangen, aufgeteilt auf alle drei Ensembles, die einzelnen Sätze von Hoffmanns „Grand Trio“ E-Dur alternierend zu zwei Textlesungen mit dem Beginn des Kunstmärchens „Der Goldene Topf“, was einen direkten Vergleich von musikalischen und literarischen Strategien der Gestaltung ermöglichte. Die Präsentation des Werkes machte aber auch noch einmal die Unterschiede zwischen den Trioformationen deutlich: Während das Amatis Trio im Kopfsatz der Komposition über formale Schlüsselstellen hinweg musizierte und nur bei der Darstellung lyrischer Elemente aus seinem ansonsten etwas ratlos machenden Wiedergabemodus ausbrach, zeigten das Oberon Trio im Mittelsatz und das Morgenstern Trio im Finale noch einmal die ganze Bandbreite und Vielgestaltigkeit ihres musikalischen und interpretatorischen Könnens. Einer möglichen Neuauflage des „Triogipfels“ unter geänderten thematischen Vorzeichen darf man nach alldem mit Spannung entgegenblicken.

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