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Noch gefesselt – Prometheus (Georgios Iatrou; Podest) während einer Probe im Europasaal. Bild: Astrid Loos
Noch gefesselt – Prometheus (Georgios Iatrou; Podest) während einer Probe im Europasaal. Bild: Astrid Loos
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Der dreifache Prometheus

Untertitel
Werke von Carl Orff, Heiner Müller und Fredrik Schwenk beim Festival junger Künstler in Bayreuth
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Anfang August kam es beim Festival Junger Künstler Bayreuth zur ersten szenisch-konzertanten Aufführung von Fredrik Schwenks Musiktheaterstück „Prometheus Unbound“. Das Werk des Hamburger Komponisten folgt in vielerlei Hinsicht dem Vorbild von Carl Orffs Oper „Prometheus“, welche in Auszügen auch die erste Hälfte der Aufführung bildete.

Wie auch Orff setzt Schwenk in seinem Werk auf eine geradezu unbescheidene Vielzahl an Schlaginstrumenten für die nicht weniger als elf Perkussionist*innen, die das Werk erfordert. So treten in dem Werk neben „gewöhnlichen“ Instrumenten wie der Windmaschine, gestimmten Gläsern, Ambos, Löwengebrüll oder Donnerblech mit Kette auch Exoten wie Anklung, O-Daikos, Darabuka, Litophon oder Hyoshigis in Erscheinung. Während Orffs „Prometheus“ dem Verlauf der Aischylos-Tragödie folgt und vor allem von der Passion des am Fels des Kaukasus gefesselten Titanen erzählt, basiert Schwenks Komposition „Prometheus Unbound“ auf Auszügen des gleichnamigen Theaterstücks von Percy Bysshe Shelley – der Folgegeschichte. Verbunden wurden die beiden Hälften durch einen Auszug aus Heiner Müllers Theaterstück „Zement“ – gesprochen von Veit Braun –, jenen erratischen Block, in dem Müller auf so drastische wie abschreckende Weise von der Befreiung des Prometheus durch Herakles sowie deren Jahrtausende währenden Abstieg vom Kaukasus und dem Niedergang der Götter berichtet.

Bei der Inszenierung kam insbesondere die Beschaffenheit des Saals zum Tragen. Der Europasaal des Internationalen Jugendzentrums in Bayreuth, in dem im Rahmen des Festivals die Aufführung erfolgte, ist ein Hexagon. In der Mitte dieses Hexagons stand ein Podest – der Felsen, auf dem Prometheus über große Teile der Aufführung hinweg sein Dasein fristete und sein Schicksal beklagte –, um das das Ensemble positioniert war. Die rund 70 Zuschauer*innen, denen nach geltenden Bestimmungen jeweils der Zutritt gestattet war, saßen am Außenrand oder auf der Galerie rings um das Podest, wobei Letztere auch mit in die Inszenierung einbezogen wurde. Ein weiteres Zugeständnis an die Pandemie war, dass sowohl der Frauenchor der Okeaniden für Orffs Oper als auch die Bläser für „Prometheus Unbound“ im Vorfeld im Tonstudio aufgenommen und über Lautsprecher eingespielt wurden.

Die Inszenierung lebte auch von der „multimedialen Installation“ – zahlreichen gleißenden und die Stimmung untermalenden Lichteffekten sowie drei Beamern, über die aus verschiedenen Perspektiven das Geschehen, aber auch Bilderstrecken gezeigt wurden. Dass dabei über größere Strecken der ebenfalls über die Beamer projizierte Text nicht mehr zu sehen war, ist schade. Im Vergleich zu Orff mutete Schwenks Komposition zunächst ein wenig „weicher“ an. Gerade der Moment, in dem Prometheus die wiedererworbene Freiheit und seine Zukunft in einer paradiesischen Grotte besingt, erinnerte an die sehnsuchtsvollen Arien eines Candides. Unterstützt wurde dieser Eindruck auch von der Oboistin Klaudia Ligas, die als einzige Bläserin live im Saal an vielen Momenten die Sänger mit ihren Melodien umspielte. Jedoch schreibt kein Komponist für 11 Schlagwerker*innen und insgesamt 45 verschiedene Schlaginstrumente, wenn er nicht beabsichtigt, sie auch zu nutzen: Auch bei Schwenk finden sich eckige Klänge und wilde polyrhythmische Passagen. Stellenweise wurde die Musik auch durch Synthesizertöne ergänzt. Dabei blieb jedoch stets die Musik im Vordergrund.

Robin Engelen dirigierte die Aufführung mit ruhiger Hand. Trotz der ungewöhnlichen Bedingungen des Saals und der rhythmisch mitunter doch recht vertrackten Passagen reichte ihm die Zeit für das eine oder andere Lächeln gen Ensemble. Dieses wiederum bewältige die Herausforderung, vor die sie Orffs und Schwenks Kompositionen stellt, ohne sicht- und hörbare Schwierigkeiten. Das größte Lob gebührt jedoch zweifelsohne den Sänger*innen. Die beiden Baritone Georgios Iatrou (Prometheus, Jupiter) und James Young (Okeanos, Demogorgon) und die Sopranistin Caroline Adler (Io, Apollo, Mutter Erde) mussten und haben Beachtliches geleistet – angefangen bei den markerschütternden Wehrufen und den rhythmisch deklamierten Sprechgesangspassagen der ersten Hälfte in Altgriechisch – und so entscheidend zum Erfolg der Aufführung beigetragen. Entsprechend gewürdigt wurde dies auch vom Publikum mit einem langanhaltenden Applaus, Stehenden Ovationen und Bravo-Rufen. Auch der sichtlich zufriedene Schwenk war zugegen. Es bleibt mit Spannung zu erwarten, ob etwaige folgende Inszenierungen in anderen Sälen die gleiche Wirkung erzielen können, wie die Aufführungen im Hexagon des Europasaals.

 

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