In der Nachfolge der romantischen Künstleroper hat Mike Svoboda einen Musiktheaterbeitrag komponiert, mit einer Mesalliance, wie sie in den Opern von Ludwig Thuille vorgezeichnet ist: Komponist und Prinzessin lieben einander, aber der Vater König ist schwer geräuschempfindlich und mag keine Oper. Ein Erfinder am Hofe – er trägt bezeichnenderweise den Namen Einstein – sorgt für Abhilfe, zunächst mit einem Kopfhörer, der alle Schallwellen tötet, dann mit einem Gerät, das dem König im Schlaf die Klänge der neuen Oper in homöopathischen Dosen infiltriert, so dass er schließlich doch Musik mag – happy end.
„Kein Märchen, eine Oper für Alle ab sechs Jahren, für vier Sänger und drei Musiker“ definiert Stockhausen-Schüler Svoboda sein zweites Musiktheater für Kinder, eine siebzigminütige Komposition auf ein Libretto von Manfred Weiß, die bereits im Jahre 2007 als Auftragswerk des Freiburger Theaters zur Uraufführung kam. Marcin Ĺakomicki hat die Handlung für das junge Publikum in Berlin gefällig arrangiert, von Ausstatterin Polina Liefers mit barocken Perücken und einem Hochsitz für den König auf englischem (Kunst-)Parkrasen („Betreten verboten!“) ausgestattet, obendrein im Abseits der Sielfläche umgeben von Schafen, Kuh und goldenen Vögeln an den Säulen des Raumes, die jedoch weder angesprochen werden noch sonst irgendwie einen Bezug bilden. Nach der ersten Produktion in diesem neoklassizistischen Raum wurde nunmehr ein falsches zweites Portal vor die große Flügeltür des Raums gestellt, auch Kammer für Umzüge, Requisiten und Auftritte.
Das 32-seitige Programmheft versteht sich zugleich als ein Lehrheft, welches den Zuschauern die unterschiedlichen Wege von Stockhausen und Pierre Schaeffer, zwischen elektronischer Musik und Musique concréte, erklärt.
Franz Schrekers Zukunftsvision einer „Musik der Stille“ löst sich in dieser Oper für Kinder ebenso ein wie die Opernhandlung „Die schweigsame Frau“ von Strauss und Zweig. Wie Sir Morosus, so ist auch der König Astus Bastus von Allyrien (Ulf Dirk Mädler) in „Der unglaubliche Spotz“ in tiefer Lage gesetzt, das Liebespaar von Prinzessin Asta Basta (Sarah Aristidou) und Bartholomäus Brummhold (Linard Vrielink) dialogisiert melodramatisch und singt handlungsbedingt häufig im Piano. Beide versuchen, das am Ende der Handlung wieder aufgenommene Duett des Anfangs zu einem Ohrwurm („Dermaptera“) zur gestalten.
In der durchwegs doppelt besetzten Produktion lösen sich auch die Dirigenten Adrian Heger und Max Renne ab. Heger bedient selbst zwei Toy-Pianos, E-Gitarre und live-Metall-Geräusch-Utensilien, darunter eine japanische Klangschale, zwei Kazoos, mehrere Mundharmonikas, Trillerpfeifen, geblasene Wodkaflaschen, Melodica, und leitet über vier Monitore das spielfreudige Ensemble sicher, musikalisch klangfarblich unterstützt von Violine (Mia Bodet) und Violoncello (Constance Ricard). Svoboda mischt die Live-Klänge mit vorproduzierten Bändern als Surround-Klangteppich im Rücken der auf drei Seiten das Spiel umgebenden Zuschauer. Die werden zweimal ins Spiel eingebunden, indem ihnen Papierfähnchen als Geräuschelemente gereicht und dann wieder eingesammelt werden.
Neben Lacher provozierenden Kalauern, wie „Basta! Hast du das verstanden, Asta?“ oder „Das ist mein Wille: Stille, nichts als Stille!“, wird Didaktik vermittelt: jedes Geräusch besteht aus Tönen. Der titelgebende Spotz ist die Erfindung Albert Einsteins (Corinna Scheurle), ein Transformator, der Geräusche in einzelne Töne zerlegt. Gesungen und gesprochen aber wird er „Sp-tz“.
In der besuchten zweiten Aufführung am Sonntag Vormittag gingen die jungen Besucher dreiviertel Stunden lang gut mit, dann setzte eine leichte Überforderung der Jüngsten ein. Aber die Oper über Oper die mit einfachen Mitteln erzeugte Musik über Musik erfüllt ihren edukatorischen Zweck und sollte weiter nachgespielt werden.
- Weitere Aufführungen: 28., 29. November, 2., 3., 5., 6., 9., 10., 12., 13., 16., 19. und 20. Dezember 2017.