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„Der Zauberer von Oz“ von Pierangelo Valtinoni an der Komischen Oper Berlin. Foto: Jaro Suffner
„Der Zauberer von Oz“ von Pierangelo Valtinoni an der Komischen Oper Berlin. Foto: Jaro Suffner
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„Der Zauberer von Oz“ von Pierangelo Valtinoni an der Komischen Oper Berlin

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Es ist schwer, gegen einen Mythos anzutreten, im konkreten Fall gegen den Hollywoodfilm „Der Zauberer von Oz“. Dass dies obendrein ein Musical-Film ist, der auch gerne auf die Bühnen transformiert wurde, macht den Fall für die Komische Oper Berlin mit einer Erstaufführung als Kinderoper nicht leichter.

Basierend auf dem Kinderbuch des amerikanischen Schriftstellers Lyman Frank Baum, „The Wonderful Wizard of Oz“, entstanden diverse Verfilmungen, die berühmteste im Jahre 1939 mit Judy Garland in der Hauptrolle des Mädchens Dorothy. Diese wird von einem Wirbelsturm mitsamt ihrem Haus aus ihrer in Schwarzweiß gefilmten Heimat Kansas in ein üppig farbiges Zauberland in Technicolor geweht, aus dem sie aber schließlich doch das Heimweh wieder ins schwarzweiße Zuhause treibt.

Die Berliner Inszenierung von Felix Seiler greift den Schwarzweiß-/Farb-Kontrast der berühmtesten Vorlage ebenso auf wie filmische Projektionen (Video: Andreas Ivancsics), in denen sich die Akteure zwischen zwei rampenparallelen Projektionsflächen bewegen.

Aus der Filmmusik von Hubert Stothart und Harold Arlen zitiert die Inszenierung den Welthit „Somewhere over the rainbow“ – als Klingelton des durch eine Jalousie verschlossenen Zugangs zur Smaragdenstadt, von den Eltern im Publikum mit Lachern bedacht.

Eine der späteren Theaterfassungen basierte auf der russischen Nachdichtung von Alexander Wolkow, „Der Zauberer von Smaragdenstadt“, die auch in der DDR gespielt wurde. In der Neuinszenierung an der Komischen Oper Berlin steht Smaragdenstadt unverkennbar für die westliche Konsumwelt, die auf einen Scharlatan als vermeintlichen großen Zauberer hereinfällt.

Die Komische Oper setzt in ihrer seit dem Jahre 2004 ungebrochenen Tradition, alljährlich eine „große Opernproduktion für Zuschauer*innen ab sechs Jahren auf der Hauptbühne“ herauszubringen, bereits zum dritten Mal auf den italienischen Komponisten Pierangelo Valtinoni, der hier zuvor bereits mit „Pinocchio“ und „Die Schneekönigin“ in musiktheatralischer Kinderbeglückung erfolgreich war.

Das Libretto stammt von Paolo Madron; in der deutschen Übersetzung von Hannah Francesconi klingt der Text allerdings oft arg bemüht und wenig kindgerecht. Valtinoni bietet gekonnt gemachte Gebrauchsmusik, die sich in Ensemblesätzen als Oper beweist, garniert mit einigen, wenigen Jazz-Elementen. Aber trotz der einfachen, tonalen Diktion bleibt keiner seiner musikalischen Einfälle im Ohr der Rezipienten haften, und beim Herausgehen summt diesmal niemand eine Melodie nach.

Wie in den Vorjahren, hat die Komische Oper erneut statt eines Programmhefts ein Hörbuch zur Kinderoper herausgebracht; darauf erzählt Eva Mattes die Geschichte, musikalisch garniert mit Exzerpten aus Valtinonis Komposition und im Beiheft des Booklets bebildert von Anne Hofmann (7,– Euro): zum Nachbereiten in der Familie ebenso sinnvoll wie zur Verlängerung des Erfolges dieser Produktion über das Produktionsjahr hinaus.

Für die Berliner Erstaufführung hat der Komponist seine 2016 in Zürich uraufgeführte Partitur horizontal erweitert; unter der musikalischen Leitung von Ivo Hentschel erklingt sie nunmehr mit Holz und Blech, Harfe, Keyboard und Celesta sowie mit mittelgroßer Streicherbesetzung und mit groß besetztem Schlagwerk. Den 18-köpfigen Chor bildet diesmal nicht der Chor der Komischen Oper, sondern – wohl aus dispositionellen Gründen – der Ernst Senff-Chor, welcher die Bewohner der Smaragdenstadt als (in Gewandung und Schminke) Grüne im Konsumrausch verkörpert. Übertroffen wird die Leistung der freien Chorgemeinschaft vom über 30-köpfigen Kinderchor der Komischen Oper (einstudiert von Dagmar Fiebach), der als Mäuse und Affen in zum Teil imposanten Kostümen von Linda Schnabel die Bühne beherrscht.

Am Ende singen alle zusammen das zwar wenig textverständliche, aber in der Aussage unmissverständliche Fazit, dass Alles nur im Glauben an sich selbst und im Vertrauen auf gemeinsame Leistungen zu vollbringen ist.

Die naturgemäß „böse Hexe des Westens“ singt Christiane Oertel stark elektroakustisch angehoben und mit viel Vibrato. Demgegenüber darf Mirka Wagner als die gute Hexe des Nordens und gute Hexe des Südens (auch Glinda genannt), wie auch als Königin der Feldmäuse, mit mehr Facetten aufwarten.

Köstlich ist Karsten Küsters als Wächter des Tores der Smaragdenstadt. Im Bühnenbild von Nikolaus Webern, mit viel Grün, aber auch Pink und Violett, darf der vermeintliche Zauberer, der sich als Zirkuskünstler entpuppt, am Ende mit einer Badewanne als Korb seines Fesselballons aufsteigen.

Die bemannte Vogelscheuche (Christoph Späth) hat endlich, wie gewünscht, Stroh gegen Gehirnmasse ersetzt bekommen, der Blechmann (Tom Erik Lie) ein Herz erlangt und der feige Löwe (Carsten Sabrowski) durfte sich durch eine Flasche Maggi Mut antrinken.

Als Dorothy kann Alma Sadé (doppelt besetzt mit der vermutlich dann noch charismatischer die Kinder in Bann schlagenden Talya Lieberman) die Sympathie der jungen Besucher für sich verbuchen. Den Sieg an Punkten erringt allerdings Caspar als ihr Hund Toto: der kommt stereotyp immer wieder zu ihr auf die Szene gelaufen, wird von ihr auf den Arm genommen und geknuddelt, um dann sogleich auf dem selben Wege wieder in der Bühnengasse zu verschwinden, wo sein Herrchen – von der Agentur für Tiere „ekkifant“ – ihn in Empfang nimmt; die Tierschützer dürften nichts dagegen haben, da Caspar dabei jeweils heftig mit dem Schwanz gewedelt hat.

Am Ende des zweieinviertelstündigen Premieren-Sonntagnachmittags gab es einhelligen Zuspruch für alle Mitwirkenden, eingeschlossen waren Regieteam, Komponist und Librettist, insbesondere aber für Kind und Tier.

 

Weitere Aufführungen: 4., 18., 29., 11., 7., 9., 12.  15., 16., 18., 19., 23. und 26. 12. 2018.

 

 

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