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John Foulds.
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Deutsche Erstaufführung des ‚World Requiem’ von John Foulds in Wetzlar – Transzendente Botschaft des Weltfriedens

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Der Name John Foulds (1880-1939) ist bis heute selbst ausgewiesenen Kennern kaum ein Begriff. Dies ist rein künstlerisch kaum begreiflich, war er doch nicht nur der visionärste und unabhängigste Geist unter den englischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein handwerklich herausragender Meister, dessen Sprache den Hörer auch ohne jegliche Vorkenntnisse unmittelbar erreicht. Doch erging es ihm in London zwischen den Kriegen ungefähr so, wie dem späten Franz Schubert in Wien. Viele seiner ambitioniertesten Werke kannte kein Mensch, sie wurden erst ein halbes Jahrhundert nach seinem Tode ausgegraben und aufgeführt.

Einige hervorragende Musiker wie der finnische Dirigent Sakari Oramo haben sich in jüngerer Zeit für sein Schaffen eingesetzt und so wenigstens in seiner englischen Heimat, die ihn so wenig schätzte, eine Foulds-Welle in Gang gesetzt. Oramo ging so weit, die ‚Three Mantras’ von Foulds als „Gipfel der gesamten britischen Orchestermusik zwischen den beiden Weltkriegen“ anzuerkennen, und nichts weniger ist diese singulär konzipierte und ausgeführte Musik.

Mitte der zwanziger Jahre hatte John Foulds seinen größten Erfolg beim breiten Publikum. Er hatte in zwei Schaffensschüben 1918–20 ‚A World Requiem’ komponiert und 1921 in Partitur vollendet. Das Komitee der British Music Society, dem u. a. Arnold Bax, Arthur Bliss, Eugene Goossens, Hamilton Harty und Adrian Boult angehörten, bahnte mit seiner einstimmigen Empfehlung den Weg für das ambitionierte, gut eineinhalbstündige Werk, und in der Armistice Night 1923 fand in der Londoner Royal Albert Hall unter Foulds’ Leitung mit 1250 Mitwirkenden die Uraufführung statt. Selten war ein Publikum so einhellig ergriffen von der transzendenten Kraft einer Komposition, und selten stand die Kritik in ihrer Skepsis ob der vollendeten – gleichwohl von höchst subtiler Raffinesse der Detailarbeit geprägten – Einfachheit der Faktur dem so entgegen. In den drei folgenden Jahren wiederholte Foulds die Aufführung, und es schien, als würde sich eine neue Tradition des Totengedenkens etablieren, die sich eben nicht in Trauer erschöpfte, sondern darüber hinaus verwies. ‚A World Requiem’ ist keine traditionelle Totenmesse, hat keine liturgische Grundlage, sondern verbindet christliches, mystisch islamisches und buddhistisches Glaubensbekenntnis und konzentriert sich nicht auf ein Jüngstes Gericht, sondern auf den Verwandlungsprozess im Tode.

Das britische Establishment freilich wollte kein ‚World Requiem’ und auch keinen neuen „großen Komponisten“, wie ihn George Bernard Shaw erkannte, sondern eine repräsentative Gedenkmusik für die gefallenen Landsleute. Unverblümte Intrigen wurden in Gang gesetzt, jegliche Unterstützung entzogen, und das Werk verschwand nach der vierten Aufführung in der Versenkung. Foulds ging ins Pariser Exil, wo er einige seiner kühnsten Kompositionen verfasste, versuchte dann noch einmal, in London Fuß zu fassen, und übersiedelte schließlich nach Indien, um den Traum seines Lebens zu verwirklichen. Er hatte seit den zehner Jahren, in engem Zusammenwirken mit seiner Frau Maud MacCarthy (die auch für die Zusammenstellung der Texte des ‚World Requiem’ verantwortlich zeichnete, und der das Requiem gewidmet ist), die Welt der südindischen Modi erforscht und als erster damit begonnen, konsequent das in seiner Musik zu manifestieren, was ein halbes Jahrhundert später unter dem Schlagwort ‚West Meets East’ die musikalische Welt erfassen sollte. Damals war die Zeit nicht reif dafür, und die englischen Kolonialherren wollten nichts davon hören, dass ihre Kultur von Indien befruchtet würde. Ende der dreißiger Jahre gründete er in Delhi das Indo-European Orchestra, schrieb viele Werke, die heute verschollen sind, und starb 1939 wenige Monate vor Kriegsausbruch in Kalkutta an der Cholera.

Am treffendsten schrieb über das ‚World Requiem’ wohl seinerzeit der Dirigent W. H. Kerridge: „Es ist kein ausschließlich religiöses Werk… Es ist kein ausdrücklich nationales Werk… Und es ist auch nicht primär ein emotionales Werk… Es ist ein Aufruf an den Geist, und seine Akzeptanz und Wertschätzung werden von der spirituellen Reaktion der Menschen auf die letztgültigen Probleme des Lebens abhängen. Daher darf es, auch wenn es aufgrund seiner musikalischen Verdienste beurteilt werden muss, nicht ausschließlich, ja nicht einmal vorwiegend als ein Beitrag zur musikalischen Literatur und Ästhetik betrachtet werden. Sein universeller Appell bedingt, dass seine breite Grundlage und die zentralen Themen von äußerster Schlichtheit sind, sogar um des Risikos willen, dass es den musikalischen Gelehrten zu offensichtlich in der Aussage und im Fortgang erscheinen mag.“

Wie kein anderes Werk bezieht ‚A World Requiem’ Stellung für den Frieden und ein Zusammenleben in Liebe und Harmonie auf der Erde. Sollte die internationale Friedensbewegung auf der Suche nach einer Musik sein, die die universellen Botschaften des Pazifismus in reinster Form jenseits ideologischer Ausdeutungen verkörpert, so würde sie hier fündig. Man braucht dafür keine 1250 Ausführenden; von einer kleinen Besetzung für 20 Stimmen und Orgel an ist vom Komponisten für alles vorgesorgt, und die Musik, obgleich durchaus von überwältigendem sensuellen Reiz, verliert nichts vom Wesentlichen ihrer Wirkungskraft. Der Text ist in einfachster englischer Sprache gehalten.

2008 erschien die BBC-Einspielung der ersten Wiederaufnahme des ‚World Requiem’ seit 1926 auf zwei CDs bei Chandos, und es war, primär aufgrund des vollkommen unsensiblen und spannungslosen Dirigats von Leon Botstein, aber auch des kaum erträglichen Vibratos einiger Gesangsolisten, eine herbe Enttäuschung. Nun wurden wir überrascht von der deutschen Erstaufführung im Dom zu Wetzlar, die dem Mut des Kantors Dietrich Bräutigam zu verdanken ist. Ihm standen hierfür nicht mehr als 200 Mitwirkende zur Verfügung, was völlig ausreichte, um das transzendente Spektrum des Werkes abzubilden in all seinen gewaltigen Kontrasten und feinsten Schattierungen. Mit der Sopranistin Sabine Goetz, der Altistin Judith Ritter, dem kurzfristig eingesprungenen, exzellenten Tenor Bernhard Gärtner und dem herausragenden Bariton Matthias Weichert hatte er ein vortreffliches Solistenensemble zusammengestellt, die durch den Jugendchor aus Wetzlars weißrussischer Partnerstadt Witebsk und den Kammerchor BelCantoMusicae Potsdam verstärkte Kantorei Wetzlar war frappierend kultiviert einstudiert und wurde engagiert und solide von der Kammerphilharmonie Bad Nauheim sekundiert.

Das ‚World Requiem’ umfasst zwei Teile von je zehn ineinander übergehenden Abschnitten, und die sowohl akustisch hinreißendste als auch in der schlichten Symbolik auf Anhieb eindrücklichste Sequenz ist vielleicht die Anrufung der Völker des Nordens, Südens, Westens und Ostens, die mit Fanfaren aus den vier Himmelsrichtungen beantwortet wird, um in ein weltumspannendes Tutti aller Kontinente zu münden. Und die Botschaft der ‚Vigilate’ – „Wachet, aber habt Geduld, aber wachet!“ – ist aktueller denn je im Angesicht der himmelschreienden Polarisierung zwischen Ost und West, in der Bedrohung durch einen neuen Kalten Krieg und systematisch organisierte Völkermorde an Orten, die wir aus der sicheren Ferne als „Krisenherde“ bezeichnen. Es mag zu seiner Zeit an der Ignoranz der Gralshüter der Tradition gescheitert sein, doch John Foulds’ ‚World Requiem’ ist ein Werk, das in seiner Gesamtheit und Kernaussage wie kaum eine andere geistliche Musik zeitlos aktuell ist.

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