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Jacopo da Ponte: Bau der Arche Noah. 2. Hälfte 16. Jh., Öl auf Leinwand, Marseille, Musée des Beaux-Arts.
Jacopo da Ponte: Bau der Arche Noah. 2. Hälfte 16. Jh., Öl auf Leinwand, Marseille, Musée des Beaux-Arts.
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Die Arche als Symbol – Das Projekt „NOAH“ der Bayerischen Staatsoper integriert Jugendliche

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„Du erzählst vom Schlauchboot mit Loch auf hoher See… und ich vom Urlaub mit den Eltern an der Spree“ – derartige Lebenszuschnitte prallen gesungen im „NOAH“-Projekt der Bayerischen Staatsoper aufeinander. Zwar nimmt das Münchner Haus an der bundesweiten Initiative „Oper ohne Grenzen“ der Deutschen Opernkonferenz bislang nicht teil, doch ihr gezielt an Jugendliche gerichtetes „Campus“- und „Attacca“-Programm präsentiert nun nach monatelanger Vorbereitung im „Rennert“-Saal ein eigenes Opus.

Die Erzählung von Flutkatastrophe, Flucht, Rettung und Neubeginn findet sich in allen Mythen, von Indien über das Zwei-Stromland bis Europa, in Thora, Bibel und Koran. Brandaktuell daran ist, dass in jeder Erzählung das göttliche Projekt Mensch gescheitert ist: durch Dummheit, Gier, Neid, Hass und Egoismus – deshalb Flut und Vernichtung – bis auf den einen Guten namens Nuah, Manu oder Noah, die Arche, ein Paar von jeder Art und die Anlandung am Berg Ararat, Judi oder Haschdia im Himalaya. Die Abfolge von Katastrophe – Flucht – Neuanfang war die Grundlage für die Zusammenführung von zehn jungen Flüchtlingen, zehn in München geborenen Youngstern mit Migrationshintergrund und zehn „echten“ Münchner Jugendlichen.

Dieses Kollektiv wurde nach vielen Einzelgesprächen und einem „Destillat“ der Biographien in der „Arche Noah“-Thematik zusammengeführt: von Regisseurin Jessica Glause, Chorleiterin Amelie Erhard, Dramaturg-Texter Daniel Menne und Benedikt Brachtel, der als Dirigent Musik- und Chor-Teile von Benjamin Brittens „Noahs Flut“, eigene, gezielt einfache Musik-Teile und orientalische, von den jugendlichen Migranten gesungene und getanzte Musik zusammenfügte.

Im dunklen, rauchverhangenen Raum nahmen die Besucher auf fünf Holztribünen Platz, „Çay“ in vorderorientalischen Tee-gläsern wurde gereicht, dunkle Musik und dann Harfenklänge mit der Aufforderung zum Arche-Bau. Reihum vor den Besuchertribünen erzählten dann Migranten ihre Flucht-Geschichte und zeigten die Route auf Kartentafeln – und schon da bekam der Musiktheaterabend beklemmendes Profil: im Kontrast zu realistischen Rettungsplänen für München war da ein junger Mensch, ein Gesicht und ein erschreckendes Schicksal – Mord und Taliban-Horror in Pakirs Dorf nahe Jalalabad, 7.000 Dollar Schlepper-Kosten für seine Familie durch Afghanistan, Iran, Türkei, Griechenland – und schließlich hält der Zug nicht im erträumten „Dschermanni“, sondern in „München“ – wo ist das?

Das erzählt Pakir bereits in gutem Deutsch, verschweigt aber seinen Familiennamen, weil das tödliche Folgen für noch zurückgebliebene Angehörige haben könnte – und singt anschließend einheimische Melodien. Angelehnt an Brittens Chor-Klage in dessen „Noah“ lässt Brachtel dann von allen „Nicht einmal mehr Vögel fliegen über Homs“ singen. Später begleitet die Percussion-Gruppe ein arabisches Sprechgebet, vorgetragen von zwei vokal begabten Migranten und chorisch klanglich umrahmt. In Kurzszenen werden Zivilisationsunterschiede angesprochen und in Rap-naher Musik Brachtels eingebettet. Katastrophen-Geräusch-Klänge umrahmen die folgende Aktion, dass alle Besucher in dem zentralen Holzgeviert von Valerie Liegls Bühne unter Lichtblitzen zusammengedrängt werden – eine körperliche Ahnung von Arche und aktuellem Fluchtboot. Doch dann endet alles in sicherer Anlandung und einem fröhlichen arabischen Schreittanz, in den die dreißig Chor-Solisten das Publikum mit einbeziehen. Da fließen musisches Integrationsprojekt und reale kulturelle Bereicherung zusammen – in einem „Wir können es miteinander schaffen“.

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