„Wir lassen unsre Welt nicht verbessern, nicht mit Wörtern und erst recht nicht mit Messern. Wir brauchen auch keine Revolution, denn das was wir brauchen das haben wir schon“ - so bissig und entlarvend kennt man den 1943 in Wien geborenen Heinz Karl Gruber – dieses Multitalent, der im zitierten „Bürgerlied“ in bester Brecht-Weill-Manier ansingt gegen „die Verhältnisse, die nicht so sind“ und das auch sagt: „Dös is‘ mir sehr wichtig, aber ich bin gegen das Plakative, deswegen hab‘ ich mich immer für den HC Artmann interessiert, der politische Statements verschlüsselt.“
„HKGruber“ hütete sich nach seinen Jahren bei den Wiener Sängerknaben, der anschließenden klassischen Gesangsausbildung und der reichen musikalischen Tradition seiner Heimat „Berufswiener“ zu werden. Er erkannte früh den österreichischen Hang zur Verdrängung der „braunen“ Vergangenheit. Er blieb unangepasst, komponierte quer durch die Genres und landete 1978 mit „Frankenstein!“ unter Dirigent Simon Rattle einen Welterfolg. Lustvoll dirigiert HKGruber zwischen dem amerikanischen Edelfestival in Aspen, London oder dem übrigen Europa und erweitert dabei auch mal ein Konzert mit seinen Werken durch Show, Tanz und einkomponierte Kinderinstrumente zum Mini-Happening. Er passt genau als Schwerpunkt „Wien zartbitter“ zum Bregenzer Abschied von Intendant David Pountney: immer ein bisschen anders, mal sperrig, mal schräg, auch humorvoll, aber künstlerisch immer wieder herausfordernd.
Dabei ist HKGrubers Vitalität staunenswert: Da plauderte er um halb zehn Uhr beim „Festspielfrühstück“ vor Publikum launig und betonte: „Ich bekenne mich zu einer Oper in der Melodien vorkommen, in der die Sänger auch halb umgebracht werden durch die Anforderungen … sie müssen nur Techniken entwickeln, die ihnen erlauben, sich halb umzubringen! Des is wichtig, des brauch’ma am Theater und ich will auch, dass die Orchester zum Klingen kommen und das Publikum all das bekommt, weswegen es in die Oper geht: Gefühl, Berührtwerden, dass des Alles funktioniert, aber nicht als Selbstzweck. Am Ende zählt nur, dass das, was ich zu Papier bringe, über die Bühne geht, einen Adressaten findet und dass ich mit meinem Publikum kommunizieren kann.“ Das tat er dann um elf Uhr als Dirigent seiner „Geschichten aus dem Wiener Wald“, freute sich am Ende um halb drei Uhr sichtbar über den Erfolg und winkte immer wieder von der Bühne in den Orchestergraben zu den Wiener Symphonikern hinunter.
Um neunzehn Uhr betrat er dann das Podium des „Seestudio“ des Festspielhauses. Zwischen zwei Pulten stehend – eines mit seinen Texten und Noten, das zweite mit der Dirigierpartitur – legte er mit den zehn exzellenten Instrumentalsolisten des Wiener Concert-Vereins los: drei Songs aus seinem abendfüllenden Bühnenspektakel „Gomorra“ von 1990, darunter das zitierte „Bürgerlied“.
Mit seiner schnarrend kantigen Stimme reihte er sich neben Song-Interpreten wie Ernst Busch oder Kurt Gerron ein. Den Beifall fröhlich annehmend trat er einmal vom Podium ab und wieder auf, um dann die von ihm auch 1983 uraufgeführte „1. Keintate“ aus dem Jahr 1980 vorzutragen. Komponist Friedrich Cerha hatte sich damals aus aller Konzentration auf moderne Musik gelöst und dem musikalischen und verbalen Erbe seiner Wiener Heimat zugewandt: den von seinem Freund Ernst Kein gesammelten volkstümlichen Sprüche und Heurigen-Versen. Dazu verfremdete Cerha volkstümliche Melodien, Wiener Walzer und Lieder, setzte Akkordeon, mal süß, mal schräg aufspielende Streicher und gleichsam hineintutendes oder „fesch“ blasendes Blech ein. Doch im Zentrum steht „der Wiener schlechthin“, eine Melange aus kleinbürgerlichem Karl Kraus, Anton Kuh und Helmut Qualtinger: grantelnd, rührselig, bösartig, weinerlich, gemütlich und gemeingefährlich faschistoid – der Stimmschauspieler HKGruber führte in den über 50 Miniaturen das grausige Panoptikum der „Volksseele“ vor, vokal und expressiv überbordend. Erschauern machende Einblicke – mit Jubelstürmen belohnt.