Kann man einen Bericht über ein Konzert und eine Uraufführung mit der Erwähnung des Sponsors beginnen? In diesem Fall muss man es: Der Name Roche ist untrennbar mit der Musik der Gegenwart verbunden, seit der Basler Dirigent Paul Sacher durch die Heirat mit Maja Hoffmann-Stehlin, der Witwe von Emanuel Hoffman, sechs Jahrzehnte dem Verwaltungsrat von Roche angehörte.
Es ist nur dem Einfluss Paul Sachers zu verdanken, dass zum vielfältigen kulturellen Engagement des multinational operierenden Pharmakonzerns seit langem auch die Neue Musik zählt. Seit drei Jahren erteilt Roche Commissions nun regelmäßig einen Kompositionsauftrag an einen herausragenden Komponisten der zeitgenössischen Musik. Die Uraufführung findet dann jeweils im Rahmen von Lucerne Festival Sommer statt und wird im Jahr darauf als New Yorker Premiere an der Carnegie Hall vorgestellt. Bisher von Roche Commissions beauftragte Komponisten waren Sir Harrison Birtwistle („Night’s Black Bird“, Uraufführung 2004) und Chen Yi („Si Ji“, Uraufführung 2005). Der Kompositionsauftrag für 2006 war an Hanspeter Kyburz gegangen, der auserwählte Komponist für 2008 ist George Benjamin.
„touche“ für Sopran , Tenor und Orchester nannte Kyburz das aus diesem Anlass entstandene und diesen Sommer uraufgeführte Werk. Seit 15 Jahren sei es für ihn eine offene Frage gewesen, eine Melodie zu schreiben, sagte er in einem Gespräch mit dem Musikpublizisten Ulrich Mosch. In Anlehnung an das Libretto von Sabine Marienberg, stellte er nun sich und seine algorhythmische Kompositionsweise dieser Herausforderung. Marienbergs Text ist eine Beziehungsgeschichte in dialogischer Form, die verschiedene Phasen von Wunsch, Annäherung, Missverständnis und Konflikt durchläuft. Phrasen wie aus dem Leben gegriffen, banal klingend und doch hochartifiziell, da Marienberg ihr Libretto bereits in Anlehnung an die Kyburzschen Algorhythmen konzipiert hatte.
Die Sopranistin Laura Aikin und der Tenor John Mark Ainsly gaben ein modernes Liebespaar im schlagfertigen, arienhaften Dialog. Dadurch, dass sie praktisch in gleicher Stimmlage nur im Oktavabstand sangen, war Kyburz in der Lage gewesen, den durchs Libretto in Teilen vorgegebenen Rollentausch auch motivisch nachzuvollziehen. Die Mechanik des Algorhythmus benutzte Kyburz als Metapher für Beziehungs-stereotypien, denen die Akteure ausgeliefert sind. Die in Töne gesetzte Mechanik der Beziehungskiste in der für Kyburz typischen Klangschönheit wurde vom Cleveland Orchestra in bekannter Präzision und Makellosigkeit wiedergegeben. Hier trafen sich in Komponist, Orchester und nicht zu vergessen in dessen Dirigenten Franz Welser-Möst drei Perfektionisten, die nichts dem Zufall überließen.
Am Morgen des gleichen Tages, an dem das neue Werk von Hanspeter Kyburz, kombiniert mit Bruckners Symphonie, Nr. 5 B-Dur WAB 105, seine Uraufführung erlebte, hatte Roche Commissions bereits den nächsten Komponisten beauftragt: George Benjamin wird für 2008 ein Werk für Klavier und Orchester schreiben. Als Interpreten wünschte sich Benjamin einen seiner ältesten Musikerfreunde, den Pianisten Pierre-Laurent Aimard, mit dem er gemeinsam bei Olivier Messiaen studiert hatte. Die Anwesenheit Aimards bei der Feierstunde in Buonas war Garant dafür, dass neben den Lobreden von Roche CEO Franz B. Humer, Festivalintendant Michael Haefliger und der Dankesrede des Geehrten auch Musik erklang. Mit einem ganz un-impressionistisch interpretierten „Children‘s Corner“ von Debussy und den zauberhaften Kinderstücken „Piano Figures“ von Benjamin zog er die anwesenden Wissenschaftler in Bann. Deren Anwesenheit ist kein Zufall: Jeder der von Roche Commissions beauftragten Künstler darf nicht nur ein zwanzigminütiges Werk abliefern, er ist auch zum Dialog und Gespräch mit den Wissenschaftlern des Konzerns aufgefordert. Denn Roche will sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit nicht einfach nur mit Kunst und Kultur schmücken, sondern bleibt auch beim Sponsoring seiner zentralen Geschäftsidee treu, der Innovation. Neuland zu betreten sei die Basis des kommerziellen Erfolgs, so die Firmenphilosophie, und das ist auch die einzige Auflage, die der Auftraggeber vom Künstler verlangt. Eine akzeptable Forderung und immer noch Vorbild für die Sponsoringaktivitäten anderer Unternehmen.