Kooperation im künstlerischen Bereich ist etwas Begrüßenswertes. Peter Theiler, Intendant des Staatstheaters Nürnberg, pflegt diese insbesondere mit französischen Bühnen. Vincenzo Bellinis „Norma“ spielt nun außerdem im von Römern besetzten Gallien – da liest sich die Übernahme der Produktion eines französischen Teams für die Bühnen von Saint-Etienne und des Pariser Champs-Élysée auf dem Papier gut.
Von einem Kooperationsgewinn war nur leider auf Nürnbergs Oper wenig, zu wenig zu erleben. Der erstaunlicherweise international immer noch gehypte Regisseur Stephane Braunschweig hat vor Jahren mit szenischer Reduktion beeindruckt – so mit seinem streng formalisierten „Woyzeck“ am Bayerischen Staatsschauspiel. Doch Braunschweigs Sicht auf „Norma“ ließ ihn als sein eigener Bühnenbildner leere Bilder bauen: eine unverortet zeitlose, graue Bunkerarchitektur; eine drehbare Rückwand, die mal wenig schwenkte für Auftritte aus dem Dunkel, mal ganz drehte, um ein herrschaftliches Bett mit Normas unehelichen Kindern mit dem römischen Prokonsul Pollione zu zeigen. Thibault Vancraenenbroeks schäbige Armutskostüme für Druiden, Irminsul-Priesterinnen und aufstandsbereite Gallier besaßen keinerlei Aussagekraft; warum Pollione wie ein Gangsterboss im Pelzkragenmantel auftritt, blieb ein Rätsel. Die gallischen Männer hantierten mal kurz mit modernen Pistolen und Revolvern – doch die Problematik von Besatzern und Unterdrückten war nicht inszeniert. Die Frauen trugen anfangs einen Bonsai-Baum unter Glasglocke herein, der „enthüllt“, durch einen Spot als übergroßer Schatten auf die Rückwand fiel, irgendwie verehrt wurde – und am Schluss als bühnengroßer Mistelbaum plötzlich aus dem Bühnenhimmel herabschwebte. Der Gong, mit dem Norma schlussendlich zum Aufstand aufruft, musste ja doch sein - und wurde per Stab in der seitlichen Betonmauer verankert.
Die finale Flammenprojektion für Normas und Polliones Scheiterhaufen war nicht nur banal, sondern hing ohne die Etablierung von Normas Position als heilige, weil wahrsagende und keusch lebende Oberpriesterin einfach in der Luft. In all diesen Bildarrangements haben Braunschweig und sein auch in Nürnberg für ihn tätiger Einstudierer Georges Gagneré aber die Protagonisten ohne eindringliche Personenregie agieren lassen. Durchweg Figuren ohne Fallhöhe, die etwas behaupten und kaum etwas erfüllen – letztlich einen Buhsturm wert - der ausblieb.
Bellinis unsterblicher Satz „Die Oper muss durch ihren Gesang weinen, schaudern, sterben machen“ wurde leider nicht erfüllt. GMD Marcus Bosch hat entweder auch schon desensibilisierte Assistenten oder er hört selbst nicht mehr kritisch. Er begann mit der Staatsphilharmonie Nürnberg dröhnend laut statt dunkel drohend und lärmte dann oft wie eine italienische Banda dahin. Das Premierenhandikap, dass der vollkommen indisponierte Pollione von David Yim nur agierte und Ilker Arcayürek an der Seite aus den Noten sang, fing Bosch nicht durch erhöhte Feinfühligkeit auf. Alexey Birkas bot mit rundem Bass als Druide Oroveso die beste Gesangsleistung - und Bellinis „melodie lunghe, lunghe“, deren Zauber die Zeit förmlich stehen lassen kann?
Nur in den beiden Duetten der betrogenen Norma und ihrer durch Pollione verführten Nachfolgerin Adalgisa schien davon etwas auf: Hrachudí Bassénz und Ida Aldrian konnten da überzeugen und anrühren. Doch sowohl Normas berühmtes „Casta diva“ und etliche andere exponierte Phrasen zeigten, dass die eher als liebende und verlassene Frau überzeugende Hrachudí Bassénz noch premierenbedingt nicht frei aussingen konnte. Wenig Bellini also in Nürnberg.