Nach einer hervorragenden „Katja Kabanova“ und einem mäßigen „Rigoletto“ stellte Brigitte Fassbaender mit „Salome“ ihre dritte Regiearbeit in Regensburg zur Diskussion. Wie die Strauss-Expertin – in ihrer Zeit als Sängerin eine überragende Interpretin der Herodias – mit dem Stoff umgegangen ist, hat Juan Martin Koch begutachtet.
Der Dichter ist anwesend: Oscar Wilde sitzt sinnierend in seiner Bibliothek. In seinem Kopf entsteht gerade das Szenario für jenen Einakter, auf den Strauss’ Libretto zurückgeht. Nach und nach verwandeln sich seine Diner-Gäste in dessen Personal. Geschärft wird diese Grundidee durch die Tatsache, dass Wilde bei Fassbaender nicht einfach nur eine stumme Schauspielerrolle ist, sondern vom tschechischen Tänzer und Choreografen Martin Dvořak dargestellt wird. Von seiner körperlichen Präsenz, seiner Fähigkeit, den Bühnenraum mit wenigen Schritten und Gesten in einen Imaginationsraum zu verwandeln, lebt dieses Regiekonzept.
Ein wenig unscharf bleibt dabei allerdings das Verhältnis des Autors zu seinen Figuren. Mal folgen sie seinen klaren Anweisungen, mal machen sie sich selbstständig, entgleiten ihrem Schöpfer, ohne dass daraus aber eine klare Spannungsdramaturgie erwächst. Eine solche entsteht vielmehr durch einen szenischen Coup: Bühnenbildner Helfried Lauckner hat in den Bühnenuntergrund eine Tretmühle eingebaut. Der Moment, da diese zum ersten Mal hochfährt und den darin sich verausgabenden Jochanaan sichtbar macht, ist von packender Eindringlichkeit. Dass Seymur Karimovs kraftvolle Stimme sich nun noch gewaltiger im Theaterraum verströmt als zuvor aus dem Off, tut ein Übriges.
Auch die anderen Sänger profitieren vom kleinen Theaterraum und der grabenbedingt reduzierten Instrumentalbesetzung, aus der Ido Arad mit dem glänzend disponierten Philharmonischen Orchester ein Maximum an Klangfarben und Innenspannung herausholt. Nichts wirkt forciert, angestrengt, die Textverständlichkeit ist hoch. Die hauseigenen Sänger – neben Karimov sind dies unter anderem Vera Egorova als Herodias, Yinjia Gong als Narraboth und Vera Semieniuk als Page – leisten hier Großartiges.
Als Gast von der Deutschen Oper am Rhein liefert Johannes Preißinger mit souverän geführtem Charaktertenor ein messerscharfes, humoristisch fein gewürztes Herodes-Porträt ab, in der Titelrolle brilliert Dara Hobbs: Wie schon in ihrem Regensburger Gastspiel als Isolde führt sie ihren jugendlichen dramatischen Sopran mühelos von lyrischen Piani aus in intensiv strahlende Höhen. Etwas zu kurz kommt bei dieser makellosen Bewältigung der Partie das Moment der Entgrenzung, für das allerdings auch Fassbaenders Regie in der Begegnung Salome-Jochanaan zu unentschieden bleibt.
Ihre großen Stärken hat diese dann aber im Schleiertanz, aus dem zusammen mit Martin Dvořaks Oscar Wilde ein zwischen Parallelität und Auseinanderdriften changierender Pas de deux wird, und beim enorm theaterwirksamen Finalbild: Dieses – nur soviel sei verraten – erinnert daran, dass es solche Tretmühlen waren, in denen der homosexuelle Oscar Wilde nach seiner Verurteilung wegen „Unzucht“ im Gefängnis geschunden wurde… Großer Jubel für eine szenisch überzeugende, sängerisch-musikalisch herausragende Strauss-Produktion.
Besuchte Vorstellung: 13. Mai.
Weitere Termine: 20.5., 28.5., 31.5., 6.6., 11.6., 18.6., 2.7., 6.7., 11.7., 23.7.