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Jagos Desdemona-Projektion macht sich selbstständig: Adam Kruzel und Deniz Yetim in der Regensburger „Otello“-Produktion. Foto: Jochen Quast
Jagos Desdemona-Projektion macht sich selbstständig: Adam Kruzel und Deniz Yetim in der Regensburger „Otello“-Produktion. Foto: Jochen Quast
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Die Sternstunde des Jago Bieder – Verdis „Otello“ am Theater Regensburg

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Mit einer orchesterreduzierten Fassung von Giuseppe Verdis „Otello“ vor 200 Zuschauern startete das Theater Regensburg in die neue Opernsaison. Verena Stoiber hatte ihr ursprüngliches Regiekonzept coronabedingt komplett umwerfen müssen und begab sich mittels ingeniöser Videozuspielungen mitten hinein ins Herz des Theaters. Ein fulminanter Premierenabend.

Schon die erste Filmprojektion ist ein Knaller: Zum Seesturm sehen wir ein in tosenden Wellen schaukelndes Segelschiff, das sich – nunmehr im Live-Video – als ein in einer Blechwanne dümpelndes Modellspielzeug entpuppt. Ein älterer Herr in Alltagskleidung schiebt es per Rollwägelchen auf die Bühne. Was genau seine Funktion am Theater ist, in deren Katakomben er es sich, wie weitere vorproduzierte Videos von Vanessa Dahl zeigen, wohnlich eingerichtet hat, wird erst am Ende aufgelöst.

Dies und vor allem das Wie der finalen Auflösung hier zu verraten, wäre ein klassischer „Spoiler“. Nur so viel: Der Mann imaginiert sich in die Rolle des Jago hinein und bringt das Drama um Otello mit selbst gebastelten Puppen ins Rollen. Zu seinem dämonischen „Credo“ – Regensburgs Theater-Urgestein Adam Kruzel ist äußerlich perfekt und stimmlich nach wie vor auf der Höhe – sehen wir ihn im Video ganz banal bei der Morgentoilette, eine köstliche Brechung. Reale, in historischen Kostümen agierende Sänger auf der Bühne gibt es natürlich auch, und genau diese Vervielfachung der Spiel- und Bezugsebenen macht den Theaterabend so spannend und – bis zum klärenden Ende – ein Stück weit auch verwirrend.

Sogar ein kulturpolitisches Statement bringt Regisseurin Verena Stoiber unter: Zur Ballettmusik vor der Ankunft des venezianischen Gesandten im dritten Akt (aus der Pariser Fassung von 1894) sehen wir in der Filmprojektion Otello durch das vom Chor dargestellte Premierenfeierpublikum im Theaterfoyer irren. Auf der Bühne halten die trotz kleiner Besetzung durchschlagskräftigen Choristen dann im pandemiekonform unterteilten Gerüst (Bühne: Sophia Schneider) Buchstaben vor ihre Körper, die den Satz bilden: „Ohne uns ist Stille“.

Nachdem die Videos zuvor bisweilen allzusehr die Aufmerksamkeit absorbieren, gehört zum Weide-Lied und zum Ave Maria die Bühne ganz der wunderbaren, anrührende Piano-Wagnisse eingehenden Deniz Yetim als Desdemona. Ungläubig beobachtet Jago die Szenerie: Die Sängerin, für die der wackere Angestellte offenbar eine Obsession entwickelt hat, entgleitet in ihrer Rolle seinem Zugriff, entwickelt ein Eigenleben. Der Übergang in die Todesszene ist dann filmisch brillant gelöst; dass der ohnehin stimmlich nicht überpräsente Deniz Yilmaz als Otello hier nur aus dem Off singen darf, ist allerdings eine unglückliche Lösung.

Die reduzierte Orchesterfassung von Francis Griffin kommt mit 21 Musikern aus, klingt im Tutti aber durchaus kraftvoll und ausgewogen. Einzig Tremoli und dramatische Akzente der Streicher wirken etwas schwachbrüstig. Kammermusikalische Szenen werden auf angenehme Weise durchhörbar und beweisen, dass Verdis musikalische Substanz nicht auf koloristische Details angewiesen ist. Das Philharmonische Orchester Regensburg meisterte unter Chin-Chao Lins umsichtiger Leitung die vielen offen liegenden Passagen mit beachtlicher Selbstverständlichkeit. Frank Wittichs Kontrabass-Solo zu Otellos Auftritt im vierten Akt verströmte eine desolate Bedrohlichkeit.

Am Ende fühlte sich die Begleiterin des Berichterstatters an eine beliebte Ein-Mann-Komödie erinnert. In der Tat: Als würde Eberhard Streuls und Otto Schenks „Sternstunde des Josef Bieder“ zu herrlicher Musik zwischenzeitlich ins Tragische kippen, so fühlt sich dieses gelungene Opernexperiment auch ein wenig an. Ein weiterer Aspekt eines bemerkenswerten Abends.

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