„Müssen wir abstürzen?“ Es musste wohl ein Absturz sein, das Leben von Zelda und F. Scott Fitzgerald. Sie, eine Verkörperung des „flapper girls“ der 20er Jahre, der modernen, kurze Kleider und Haare tragenden, provokanten jungen Frau. Und er, der junge Schriftsteller an der Schwelle zum Ruhm. Gemeinsam waren sie eines der berühmtesten Glamour-Paare der 20er-Jahre in Amerika, der „roaring twenties“. Sie führten ein ausschweifendes Leben mit Alkohol in Strömen, nächtelangen Parties und mondänen Festen. Ein Leben, das auch von extremen Spannungen zwischen einer obsessiven Liebe, großer Leidenschaft, Streit und Hass, Enttäuschung und erneuter Versöhnung geprägt war. In seinem inzwischen berühmtesten Roman hat Fitzgerald das Lebensgefühl dieser Zeit in der Figur des „The Great Gatsby“ (Der große Gatsby) schonungslos eingefangen.
Nach einem Libretto von Jutta Georg hat Susan Oswell das tragische Leben dieses prototypischen Paares in der Kammeroper „Zelda“ verarbeitet. Grundlage sind Briefe, die sich die beiden geschrieben haben, als sich Zelda Fitzgerald – selbst Schriftstellerin – in psychiatrischen Kliniken aufhielt. Die Uraufführung im Eggenfeldener Theater an der Rott vergangenes Wochenende geriet zu einem bejubelten Erfolg. Gefeiert wurde dabei auch die erste Uraufführung überhaupt in der über 50-jährigen Geschichte des einzigen Landkreistheaters von Deutschland und Oswells Premiere als Opernkomponistin. Ein ausgesprochenes Multitalent, war die gebürtige Engländerin doch bislang als Solotänzerin, Choreografin, Regisseurin und Schauspielerin in Erscheinung getreten. Ab 1995 nahm sie Kompositionsunterricht bei Franz Hummel und schrieb mehrere Libretti für den Riedenburger. Einige ihrer danach entstandenen Kammermusik- und Orchesterwerke wurden bereits in verschiedenen Ländern aufgeführt.
Die Oper spielt in einer psychiatri-schen Klinik. Scott Fitzgerald (Benjamin Appl) besucht dort seine Frau Zelda (Agnes Selma Weiland) zum Geburtstag. In Arien und kurzen gesprochenen Passagen lassen sie ihr gemeinsames Leben aufleben. Anfänglich auf Distanz, bricht sich ihre Liebe und Sehnsucht in innigen Berührungen und tänzerischen Zärtlichkeiten schnell Bahn. Die Musik nimmt sich in dieser Phase sehr zurück, wirkt verhangen und merkwürdig trüb, umherstreifende Klangsplitter, die sich nicht zu einem vollständigen Bild zusammensetzen lassen. In der ersten Hälfte bis zur Pause laben sich Scott und Zelda an den glücklichen Ereignissen und Zeiten ihrer Beziehung, beschwören ihre Liebe. Dabei gehen der großartige Appl (Bariton), ein Regensburger Domspatz und Fischer-Dieskau-Schüler, und Weiland als treffliche Sopranistin auch als glänzende Darsteller in ihren anspruchsvollen Rollen geradezu auf. Wirkte anfangs ihre körperliche Ungleichheit ein wenig irritierend, löst sich dieser Kontrast durch das hingebungsvolle Spiel sehr schnell in Nichts auf.
Musikalisch kündigt sich der Absturz des Paares währenddessen in einem schrillen Walzer und schrägen Tanzrhythmen bereits an. In zersplitternden Akkorden und einer melodisch hochdrehenden, gellenden Bassklarinette wird die Tragik von Zusammenbruch und Auflösung erschreckend klar. Unter Leitung von Maria Fitzgerald meistern die Salzburger Orchester Solisten, ein um Bass, Schlagzeug, Piano und Klarinette erweitertes Streichquartett, die teils extremen Herausforderungen, die in Oswells origineller Musik stecken, in glänzender Weise. Regie führt die Londonerin Rosamund Gilmore. Gemeinsam mit Hummel und Oswell hatte sie 1979 die international erfolgreiche Laokoon Dance Group gegründet. Die Choreografin in ihr kommt gelegentlich in der Gestaltung der beiden Hauptfiguren durch. Ein wunderbarer Kunstkniff gelingt ihr mit der Tänzerin (Ilja van den Bosch). Sie ist Mittlerin und Bindeglied zwischen den Sängern. Im Wechsel zwischen den beiden starken Figuren verkörpert sie deren Niedergeschlagenheit, Sehnsucht, Wunschfantasien, aber auch Zeldas Krankheit und Scotts zerstörerischen Alkoholismus auf höchst anrührende und bewegende Weise. Das mit einfachsten Mitteln erzeugte Bühnenbild (Silke Fischer) entfaltet mit langen, weißen Vorhängen eine suggestive Wirkung von Offenheit und Reichtum im ersten, Geschlossenheit und Ausweglosigkeit im zweiten Teil. Einfach klasse, wie die Inszenierung einen Sog entwickelt, dem man sich nicht entziehen kann.