Nachdem die Münchner Philharmoniker in ihrem Interim schon heimisch geworden sind, debütierte nun auch das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in der Isarphilharmonie. Jakub Hrusa und Isabelle Faust testeten die Akustik erfolgreich mit Kabeláč, Britten und Schostakowitsch.
In den Hochzeiten des High-Fidelity-Gerätefetischismus brachten Fachmagazine regelmäßig CD-Sampler nach einem ganz bestimmten Kriterium heraus: Die geschmacklich bisweilen eher prekären Zusammenstellungen dienten dazu, das komplette Potenzial der heimischen Stereoanlage herauszukitzeln. Ein wenig fühlte man sich daran erinnert, als man Jakub Hruša bei dem Versuch beiwohnte, dem erwartungsfrohen, erfreulich gemischten Publikum in der Isarphilharmonie Miloslav Kabeláč’ „Mysterium der Zeit“, eine 25-minütige Passacaglia für großes Orchester von 1957, als verkanntes Meisterwerk zu verkaufen. Der langatmige, von überschaubarer motivisch-harmonischer Substanz unterfütterte Steigerungsverlauf wird unterwegs mit Sologeigen- und Harfenepisoden gesüßt und mündet in dumpf rhythmisierte, mit Blechpathos überwölbte Ausbrüche, die – wenig überraschend – in einer elegischen Coda versöhnlich-resignativ zurückgenommen werden.
Als akustische Show-Pièce funktionierte das Stück immerhin. Man konnte genau verfolgen, wie das gruppenweise sich aufbauende Orchestertutti in den Saal projiziert wurde, und konnte von Reihe 25 aus als Zwischenfazit festhalten, dass die holzig-warme Akustik der Isarphilharmonie die Bässe etwas zu sehr favorisiert, im Fortissimo-Tutti (in diesem Stück) die Holzbläser ziemlich schluckt, insgesamt aber einen runden, kompakten Klang mit guter, wenn auch nicht überragender Tiefe im Detail ermöglicht.
Für die heikle Balance eine Solokonzerts war dann Benjamin Brittens Violinkonzert eine geeignete und gehaltvolle Referenz. Die grandiose Isabelle Faust war, obwohl sie keinen pastosen Riesenton entfaltet, jederzeit im Saal präsent. Auch kleine Schönheitsfehler wie Nebengeräusche eines nicht sofort anspringenden Flageoletts waren klar vernehmbar, dafür aber auch die klangliche Finesse mit der sie, bei aller virtuosen Widerborstigkeit, den Solopart bis in die feinsten Verästelungen hinein mit Wärme erfüllte. Die konzertante Partnerschaft war von brillanter Selbstverständlichkeit; als akustisches Kuriosum in Sachen Raumgefühl erwies sich das Piccologezwitscher des zweiten Satzes, bei dem die Töne der kontrastierenden Tuba von der Seitentür rechts der Bühne zu kommen schienen.
In exquisiter Verfassung und vom Ambiente hörbar animiert zeigte sich das BR-Symphonieorchester auch nach der Pause mit Dmitri Schostakowitschs erster Symphonie. Unter Jakub Hrušas präziser, Schlüsselstellen wie die Klavierschläge im 2. Satz auch einmal optisch zelebrierender Leitung entwickelte der jugendliche Geniestreich seine grimmige Brillanz. Bei dem aus dem Nichts einsetzenden Trommelsolo im 3. Satz meinte man zunächst die Lüftungsanlage zu vernehmen, die ihre Arbeit aber glücklicherweise unterhalb der Hörschwelle verrichtet.
Ein schon bei Britten wahrnehmbares akustisches Manko bestätigte sich allerdings an einigen Stellen: Expressiv auf der G-Saite der Geigen gespielte Passagen strahlt der Saal mit einer gewissen Stumpfheit ab, ebenso bestimmte Register der Bratschen und Celli. Am Ende sind das aber Kleinigkeiten angesichts eines in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Saales, an dem München noch viel Freude haben wird.