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Die wilden Jungen im Blickfeld

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Ein Interview als Ausblick zum Kölner Forum neuer Musik im April 2014
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Das Kölner Forum neuer Musik bietet Anfang April Musik von Schönberg und Skrjabin, aber auch von Marko Ciciliani und Maximilian Marcoll. Junge Komponisten und Interpreten bestimmen das Programm; auf dem Flyer sind begeisterte Kriegsfreiwillige zu sehen und Soldaten in Gasmasken. Das Internationale Werkstattfestival des Deutschlandfunk will ein Jahrhundert besichtigen. nmz-Autorin Barbara Eckle sprach mit DLF-Redakteur Frank Kämpfer.

neue musikzeitung: „1914–2014“. Ein Motto, zwei Angebote: ein musikalisches und ein politisches. Der Deutschlandfunk leistet mit diesem Veranstaltungs-Doppel seinen Beitrag zur Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Ist es ein Meilenstein, dass Politik und Kultur, in diesem Fall ausdrücklich die Neue Musik, sich in Ihrem Haus bei einem solchen Thema zusammenfinden?

Frank Kämpfer: Als ich Chefredakteurin Birgit Wentzien im Frühjahr 2013 diese Kooperation vorschlug, hieß die Antwort, jetzt endlich wachse zusammen, was zusammen gehört. Bisher liefen im Deutschlandfunk politisches und musikalisches Programm und Denken sehr separat – dieses Projekt nun baut eine zweispurige Brücke: Mit dem gemeinsamen Ansatz, nicht nur eine Jahreszahl, sondern das ganze Jahrhundert seit Ausbruch dieses Weltkriegs zu betrachten, gehen wir im Funkhaus jetzt Hand in Hand. Die Politik veranstaltet ein international besetztes politikgeschichtliches Symposium – dieses ist eingebettet in das Forum neuer Musik, das künstlerische Perspektiven entwirft. Durch die starke politisch-soziologische Orientierung der letzten Jahre kann das Forum dabei viele Impulse geben.

nmz: 2014 besteht das Forum neuer Musik fünfzehn Jahre. Als Programmmacher und Organisator geben Sie der Neuen Musik hier offenbar ein „Forum“ im antiken Sinn: einen Marktplatz, wo man zusammenkommt, um sich auszutauschen und aktuelle Themen zu debattieren.

Kämpfer: Ich versuche, es demokratisch zu gestalten, im Sinne von Meinungs-Vielfalt. Marktplatz trifft es aber nicht so genau. Es ist auch Bildungs- und Förderprojekt. Die zehn Forums-Veranstaltungen in diesem Jahr sind als sehr verschiedene, aber genau jus-tierte Beiträge zum aktuellen Festivalthema gedacht. Nicht ganz zufällig lautet es DIE WILDEN JUNGEN. Es geht dabei nicht um Musik über oder gegen den Krieg, sondern darum, Zusammenhänge von Krieg, Männlichkeit, Moderne und Medien darzustellen und zu befragen. Und zwar durch wiederum junge, wagemutige Protagonisten von damals und heute und unter Einbeziehung auch anderer Künste. Ein Beispiel dafür ist das Konzert mit Kompositionen und Filmen von 1914 und 2014. Ich erhoffe mir auch einiges von Niklas Seidl, Paul Hübner und Florian Zwissler und ihrem kollektiven Multimediastück über die Ausdrucks-tänzerin Clotilde von Derp. Marko Ciciliani wiederum thematisiert die Medialisierung des Privaten. Und das belgische Ensemble Nadar startet bei uns im Deutschlandfunk sein ziemlich politisches Zeitgeist-Projekt.

nmz: Blickt man auf Ihre Programme der letzten Jahre, entsteht der Eindruck, Neue Musik sei längst nicht mehr ausschließlich eine Angelegenheit Westeuropas und Nordamerikas.  Balkanstaaten, Südamerika, Naher und Ferner Osten bekommen einen gleichberechtigten Platz. Wunsch oder Wirklichkeit? Und wo gibt es tatsächlich etwas Neues?

Kämpfer: Wunsch und Wirklichkeit, würde ich sagen. Die Weltkarte der Neuen Musik verändert sich ja im Zuge der wirtschaftlichen, logistischen und medialen Globalisierung. Das ist die avancierte politische Strömung. Aber auch in Europa gibt es in Sachen Neuer Musik noch genug zu entdecken oder neu zu betrachten: den russischen Futurismus zum Beispiel, dessen Kenntnisnahme die Geschichte der Zwölftonmusik wahrscheinlich völlig neu schreiben lässt. Ebenso dürfte die Perspektive der Männlichkeiten-Forschung, die wir mit Hilfe akademisch-pädagogischer Partner in Oldenburg, Hannover und Köln beim Forum 2014 versuchsweise einbringen wollen, manch Wohlvertrautes in neues Licht rücken können. 

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