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Margherita Sabbadini (vorne) und Company Ballett Rossa. © Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, Foto: Anna Kolata
Margherita Sabbadini (vorne) und Company Ballett Rossa. © Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, Foto: Anna Kolata
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Discodunkel und Lebenslicht: Das Ballett Rossa Halle auf der Raumbühne Babylon

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Das Leitungstriumvirat der Oper Halle hat sich Schweres vorgenommen: Es knüpft an den mit dem Theaterpreis „Der Faust“ gewürdigten Erfolg der Raumbühne HETEROTOPIA in der Spielzeit 2016/17 an. Was kann auf das verwirklichte Theater-Ideal mit beglückten Zuschauern und hochgradig anspruchsvoll bis spielerischen Projekten in der gelebten Utopie HETEROPTOPIA, in einem Buch bei Theater der Zeit dokumentiert, folgen?

Die Erwartungen sind sehr hoch, ja gigantisch. In den Eröffnungswochen folgt nach der Dramatisierung von Axel Ranischs Roman „Nackt über Berlin“ noch eine spannende Neudeutung von Meyerbeers „L`Africaine“ (ab 29. September) und ein Konzert mit sämtlichen Klavierwerken von Pierre Boulez (30. September).

Sebastian Hannaks zweite Raumbühne BABYLON ist ausgewiesen als Schauplatz nach der Katastrophe, nicht (nur) als Forum gelebter Vielfalt wie HETEROTOPIA. Nach Verdis „Messa da Requiem“ in post-apokalyptischer Lesart von Intendant Florian Lutz lädt das Ballett Rossa zum barock-postmodernen Spektakel, so der Untertitel. Für den schwer erkrankten Ralf Rossa übernimmt sein Vertreter Michal Sedláček die künstlerische Gesamtleitung des Projekts.

Neu sind die großen Grünpflanzen aus südlichen Gefilden dort, wo sonst das Parkett ist, und die Ornamente an der Brüstung im Rang, für die sich Hannak erkennbar vom Zuschauerraum des Opernhauses Marrakesch inspirieren ließ. Sehr sinnfällig, denn in der nächsten Premiere mit Meyerbeers „L`Africiane“ werden die ethnischen Perspektiven kreativ umgedreht. Schon bedauert man, dass in der Raumbühne BABYLON keine interaktive Wiederaufnahme von Michael von Zur Mühlens intelligenter „Aida“ gibt.

Viel zu selten erobert sich die Choreographie die Raumangebote Hannaks außerhalb der Drehbühnenscheibe. In Carla Caminatis „Rockme Amadeus“-Kostümen treten die Kinder, wenn nicht gar die Enkel von Madonna und Klaus Nomi ins Rampenlicht. Mit parallelen und sportiven Bewegungen feiern sie. Die wenig sinnliche Gymnastik ist vorsätzlich dargestellte Abstumpfung, Ödnis und angestrengte Dehnung der überreizten und damit erledigten Exzesse.

Die mit dieser Bewegungsmotorik fast 90 Minuten geforderten Tänzerinnen und Tänzer schauen sich nicht an und berühren sich nicht. Jeder für sich und Gott, an den im Barock meistens noch geglaubt wurde, im pluralistischen Raum gegen Alle! Daran ändern nichts die Gesichter, die mit sanfter Offenherzigkeit aus den Screens blicken.

Richtig dekadent wird es auch nicht, die solistischen Episoden haben das Ironie-Niveau von Werbespots. Ein schmunzelnder Dritter verzehrt den Erkenntnis bringenden Paradiesapfel, bevor sich der Rokoko-Adam mit seiner tennisweißen Eva vereinen kann. Der Wunschschwiegersohn von nebenan schafft es mit dem Prinzenkavalier nicht über den Anfangsflirt hinaus. Riesig ist der Katzenjammer.

Zum neuen Selbst mit Frischegarantie

Kein Exzess, große Verzweiflung, fragwürdige Erneuerung: Bleischwer senken sich die eisernen Vorhänge neben der sauberen Party-Sekte. Dann kommt die Wende und Halles Video-Zauberer Iwo Kurze zeigt eine ganz neue Facette seiner Fertigkeiten: In aktuellen Casual- und Business-Dress erwacht die „Community #Bizarr“ zum neuen Selbst mit Frischegarantie. Vom Screen lächeln schöne neue Menschen in der Hallenser Innenstadt (natürlich sonnig), im Bioladen (ohne Product-Placement), mit Kinderwagen (Heimathafen Kleinfamilie). Die Techno-Clones sind die Nightmares von gestern: Es lebe der Bionade-Biedermeier!

Etwas unbefriedigend sind die enthemmt gemeinten Tänze wie der schale Schluss. Die bewusst neutrale Musik subtrahiert einiges von den verhießenen Ballettexzessen: Die Suite zu #BIZARR wechselt vom Wunschkonzert für Klassik-Liebhaber mit Bach und Pachelbel zum Wunschkonzert für Spätachtundsechziger mit Peter Gabriel. Sie unifiziert jedwede Kontraste: Alles rund und aufgeblasen im lauten, direkten Verwöhnsound. Ohne Kanten, ohne Klammern! Trefflich imitiert diese Sounddramaturgie die Redundanz musikalischer Flächen in Medien, wo das permanente tonale Sprudeln, Raunen, Strömen abstumpft und man deshalb eine Funktionalisierung nicht (mehr) wahrnimmt. Grausamer Gedanke: Ist das „neue Babylon“ eine Erschöpfung der Ausdrucksmittel durch Überfluss... und das „neue Jerusalem“ ein Bionade-Biedermeier? Aber #BIZARR ist erst Teil Zwei des Hallenser Zyklus auf der Raumbühne BABYLON, andere Gedankenerschütterungen kommen bestimmt. Diese kann man bis 14. Oktober 2018 und in drei weiteren Blöcken vom 11. bis zum 27. Januar, vom 22. bis zum 31. März und vom 14. Juni bis zum 7. Juli 2019 erleben.  

  • #BIZARR (Uraufführung), Oper – Raumbühne BABYLON: Samstag, 15. September 2018, 19.30 Uhr – wieder am Freitag, 21. September 2018, 19.30 Uhr -  Sonntag, 30. September 2018, 15 Uhr - Donnerstag, 04. Oktober 2018, 19.30 Uhr - Sonntag, 07. Oktober 2018, 15 Uhr - Sonntag, 13. Januar 2019, 15 Uhr - Samstag, 19. Januar 2019, 19.30 Uhr - Mittwoch, 23. Januar 2019, 19.30 Uhr - Samstag, 26. Januar 2019, 19.30 Uhr - Samstag, 23. März 2019, 19.30 Uhr - Mittwoch, 27. März 2019, 18 Uhr - Sonntag, 31. März 2019, 16 Uhr - Freitag, 14. Juni 2019, 19.30 Uhr - Sonntag, 16. Juni 2019, 15 Uhr - Sonntag, 23. Juni 2019, 19.30 Uhr - Samstag, 06. Juli 2019, 19.30 Uhr

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