Nur gut eine Stunde dauert Béla Bartóks einzige Oper Herzog Blaubarts Burg. Nicht selten wird sie deshalb mit anderen Werken gekoppelt, um doch noch einen ausgefüllten Opernabend voll zu bekommen. Nicht so am Aalto-Theater Essen. Hier setzt man ausschließlich auf Bartóks seinerzeit für unspielbar gehaltenen Opernsolitär. Das mag dramaturgische Gründe haben oder organisatorische, wobei der Stoff und die Vertonung an sich ja durchaus eindrucksvoll genug sind, um nachhaltig zu beeindrucken. In Essen blieb dieser Eindruck allerdings gemischt, wirft die Inszenierung von Paul-Georg Dittrich doch mehr Fragen auf als sie beantwortet.
Clou des Abends soll die Beteiligung des Publikums sein, das in Form von einigen auserwählten Besuchern auf der Bühne Platz nehmen darf. Hier sitzt es dann in einem halbkreisförmigen Rund von an der Decke aufgehängten Sesseln und wird von drei nur auf dem Programmzettel als „Judith 1, 2 und 3“ zu identifizierenden Statistinnen bei einigen Aktionen direkt auf der Bühne instruiert und im reduzierten Bühnenbild (Sebastian Hannack) drapiert. Nette Idee, könnte man meinen, aber was will der Regisseur damit sagen? Das ist ohnehin die Frage an diesem Abend. Natürlich ist es symbolisch gemeint, aber es bleibt, wie so vieles an diesem Abend, im Ungefähren.
Am Ehesten kann noch die musikalische Seite überzeugen, obwohl es auch hier Unausgewogenheiten gibt. Die Balance zwischen Bühne und Orchester gehört dazu, denn um die ist es an einigen Stellen nicht zum Besten bestellt. Das liegt daran, dass die an sich wunderbar spielenden Essener Philharmoniker unter der Leitung von Gábor Káli manchmal zu sehr in die Vollen gehen. Zwar leuchtet Káli die Partitur an vielen Stellen sehr schön aus, aber manchmal entfaltet er dann doch etwas zuviel Wucht. Dann hat Bartóks ungemein differenzierte Partitur einen eher brachialen als schillernden Charme und die beiden Solisten kleistert es auch zu. Die singen nämlich ganz ausgezeichnet: Karl-Heinz Lehner mit kraftvoller aber nicht kraftmeiernder und immer sehr expressiver Stimme als viriler, dem Eros der Macht verfallener und am Ende erstaunlich machtloser Herrscher und Deirdre Angenent als Judith mit einem ebenso frischen wie nuancenreichen Sopran voller erlesener Abtönungen, der auch einiges dramatisches Potential hat.
Der Gesang und auch das Spiel dieser beiden Solisten retten den Abend, wohingegen die Inszenierung einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt – nicht nur aufgrund des spartanischen Bühnenbildes. Das besteht nur aus ein paar symbolischen – kahlen – Pflanzen, einem großen haus- bzw. käfigartigen Kubus, der nach Bedarf herabgesenkt oder gekippt wird und einer schrillen Leuchtreklame, die sich von „WAR NICHT“ zu „WAR ICH“ wandelt. Die sieben geheimnisvollen Türen, hinter die die Geheimnisse Blaubarts versteckt sind, erschließen sich nur indirekt durch szenische bzw. darstellerische Andeutungen. Dass das Bühnenpublikum am Ende den gleichen gelben Mantel die Judith trägt, mit kleinen Lampen auf der Bühne wandelt und im gleichen Käfig steht, wirkt etwas plakativ. Die Direktheit der Mittel, zu denen auch mystische bis drastische, auf einen im Kreis umhergefahrenen transparenten Vorhang projizierte Videos von Kai Wido Meyer gehören, steht hier nicht selten in gewissem Kontrast zum spartanischen und verklausulierten Symbolismus der Inszenierung.