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Macht Podcasts zur Neuen Musik Szene und drüber hinaus. Irene Kurka. Foto: Hufner
Macht Podcasts zur Neuen Musik Szene und drüber hinaus. Irene Kurka. Foto: Hufner
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To diskurs or not to diskurs – Musikalische Zeitfragen im „Raum für Kunst und Diskurs nemtsov & nemtsov“

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Es hatte etwas von einem Versuch, einen immerwährenden und dauerverwickelten Knoten zu öffnen. Gisela Nauck, die Herausgeberin und Verlegerin der „Positionen – Texte zur aktuellen Musik“ (bis zum Ende dieses Jahres) lädt zum Gespräch ein. In sechs Folgen, verteilt über das kommende Jahr stellt sie „Musikalische Zeitfragen“. Am 1 Dezember standen diese unter dem Motto „Diskursverlust – Diskursnotwendigkeit“. Ein bisschen eine Art Moebiusband-Frage, die sich, in dem man sie stellt, schon beantwortet.

Dass man einen (Diskurs-)Verlust bemerkt, hat hier zur Folge, dass man ihn behebt, in dem man ihn führt. In Impulsvorträgen sollten Positionen zum Thema pointiert werden, um im nachfolgenden Gespräch die möglicherweise aufgeworfenen Verwerfungslinien zu diskutieren. So sprach Andreas Engström zum Thema „Was bleibt (von der Musik), wenn es keine Reflexion, keinen Dialog, keinen Diskurs mehr gibt?“; Fabian Czolbe vertrat die These: „Wir brauchen keinen Dialog/Diskurs, die neue Musik funktioniert auch ohne diesen bestens“ und Theresa Beyer sprach zu „Situation: Institutionell unabhängiges, aktuell reflektiertes Nachdenken (in Feuilleton + Fachzeitschriften über neue Musik ist offenbar nicht mehr finanzierbar – Fördermodelle in der Schweiz“. All das wurde eingerahmt mit Musik von Wolfgang Heisig und Ellen Hünigen – und das alles wieder im Rahmen einer Einladung zur Feier des Abschieds und Neuanfangs bei der Zeitschrift „Positionen“, bei der Gisela Nauck nach 30 Jahren ihre Tätigkeit beendet und sie in die Hände der neuen Herausgeber Andreas Engström und Bastian Zimmermann für einen Neuanfang übergibt.

Die Aufzählung macht schon deutlich: Vieles hing hier mit vielem zusammen, allerdings so überbordend, dass kaum eine fassbare Tiefe der Durchdringung des Themas zu erreichen gewesen wäre. Zum Thema selbst und den Thesen. Man kann es und sie schnell verkürzend darstellen.

  • Für Engström sind die Diskurse wichtig, weil sie die Szene nach außen sichtbarer machen, die Institutionen (Veranstalterinnen, Musikerinnen etc.) wird dadurch das Feld der neuen-Musik-Szene gegliedert. Der Diskurs als Dienstleisterin. Für den Musikwissenschaftler
  • Fabian Czolbe sind die Diskurse eher entbehrliche Nebenphänomene, gipfelnd in der Pointe: „Sprengt die Diskurse in die Luft“ und „zurück zur Musik“ selbst.
  • Theresa Beyer führt Beispiele aktueller „Diskurs-Medien“ aus der Schweiz an. Darunter das Internetprojekt „Republik“, das mit zwei Mio. Euro (oder Schweizer Franken) gefördert und per Crowdfunding weitere drei Mio. eingeworben hat. Allerdings eine Sache jenseits der Musik. Das andere Beispiel wäre „Norient“, auch ein Diskursfeld im Internet, das sich durch Quersubventionen (über Bücher und Festivals beispielsweise) finanziert und global denkt – folglich Englisch zur Grundsprache gemacht hat.

Alle drei Impulse waren interessant, aber zugleich ist deren Ertrag für die Diskussion mager. Klingt vielleicht etwas vermessen, ist aber nicht böse gemeint. Dafür muss man allerdings ein wenig zurückschielen in die und in der Zeit und den oben angesprochenen Knoten zu entwirren sich bemühen. Das Problem am „Diskurs in, mit oder über Musik“ ist seine Differenziertheit.

Dimensionen der „Diskurse“

Ein Beispiel: Schon die Frage, wer ist Rezipient von Worten zu, in und über Musik bereitet enorme Schwierigkeiten. Ist es die Salonteilnehmerin, die Komponistin, die Veranstalterin, die Musikerin, die (Musik-)Wissenschaftlerin, die andere Kritikerin, die Zuhörerin, die Abwesende, der Fan, die Liebhaberin, die Kennerin? Mit wem also rede ich?

Oder was ist überhaupt Gegenstand des „Diskurses“? Ist es die „Musik“, die „Technik“, den „Text“, das „Bild“, das „Ambiente“, die „Zeit“, der Ort, das Konzept, der Diskurs selbst, der Diskurs über den Diskurs, die Institution (Veranstaltung, Wettbewerb …)? Über was also spreche ich?

Welches Medium wird verwendet? Das Gespräch nach dem „Konzert“ (oder davor oder währenddessen), die Publikumszeitschrift, die Fachzeitschrift, die Tageszeitung, ein Blog (privat, institutionell), der Rundfunk, das Fernsehen, die Diskussionsrunde? Auf welche Weise also spreche/schreibe ich?

Wer ist die Autorin? Die Wahrnehmung von Diskursen ändert sich mit denjenigen, der darin involviert ist? Eine Kollegin (Komponistin, Performerin), eine Klein- oder Großkritikerin, eine Wissenschaftlerin, ein Fan, eine Liebhaberin, eine Kennerin, eine Unbedarfte, eine Fachfremde, eine Journalistin, kognitive Leistungsfähigkeiten durch Lern- und Erfahrungsstufen jeweils miteingerechnet (Kinder, Jugendliche, Erwachsene – Tätigkeitsfelder) …? Wer also redet (und mit wem) und mit wem auch ausdrücklich nicht?

Schließlich münden Mixturen dieser Fragen in Fragen zur Motivation, weshalb man überhaupt reden will und kann, verbunden mit der Frage danach, wer die Medien und die Teilnehmerinnen der „Diskurse“ finanziert. Und damit auch verbunden Fragen nach der Wahrhaftigkeit (Validität, Authentizität, Reliabilität), Gelenktheit der Diskursteilnehmerinnen (Stichworte: Auftrag, Selbstausbeutung, Selbstvermarktung, Subvention …)? Wer also ermöglicht die freie oder gebundene Rede?

Das alles beschreibt einige Parameter auf unterschiedlichen Dimensionen, die natürlich in Mischformen existieren können und es wohl auch tun. Einen „Diskursverlust“ wird man weniger annehmen können, als einen steten Strukturwandel, bei dem die Parameter sich laufend ändern. Das lässt dann Rückschlüsse auf die Möglichkeiten des „Diskurses“ und seine Größe und Dauer zu und auf seine Notwendigkeiten. Man darf sich das wie in einem multidimensionalen System vorstellen, deren Dimensionen (hier die Fragen) durch die Parameter jeweils bestimmt werden. Jetzt kommt es darauf an, entsprechende Cluster zu bilden, die genügend Gemeinsamkeiten aufweisen, um die Teilnehmerinnen an die jeweiligen „Diskursfelder“ zu binden. Wenn diese zu eng sind, werden die Zirkel jeweils klein sein, wenn sie zu groß sind, wandern die Teilnehmerinnen möglicherweise ab. Der größte gemeinsame Nenner ist da zu suchen, auch unter Einbeziehung der Fachfremden, aber Randinteressierten.

Konkurrenzen / Wettbewerb

Das alles wäre zu ergänzen durch eigenständige Bewegungen von Konkurrenzen untereinander, also auch durch die Schaffung von Diskurshoheiten (ästhetische, politische und persönliche Feindschaften unter den Diskursteilnehmerinnen (Komponistinnen, Wissenschaftlerinnen, Publika und Kritikerinnen – ja, das gibt es durchaus). „Seiltanz“, „MusikTexte“, „Positionen“ als strenge Periodika der Neuen-Musik-Szene plus und versus Anstalten des Öffentlichen Rechts (Rundfunk), weitere Musikfachzeitungen (NZfM, nmz), Tageszeitungen, andere Periodika („Musik und Ästhetik“, „Merkur“ …) wissenschaftliche Begleithefte, Veranstaltungsreader …), Internetpräsenzen (Bad Blog Of Musick) oder wissenschaftliche Analysecluster plus eigeninitiative Unternehmungen (wie Podcasts – zum Beispiel Irene Kurkas Podcast „neue musik leben“).

Daher hilft es wenig, wenn man beispielsweise sagt, dass im Bereich Musik potentiell fast alle Menschen einholbar wären. Sie sind es nicht. Gerade im doch weniger nischenbehaftenen Bereich der Popularmusik sind in diesem Jahr zwei Zeitschriften eingestellt worden (Intro und Spex). Noch um das Überleben kämpft „Melodie und Rhythmus“. Andererseits gibt es immer noch eine Unzahl von Nischenpublikationen mit gar nicht so geringer Auflage in den einzelnen Pop/Rock/Kulturgenres – da hilft ein Blick in die nächste Bahnhofsbuchhandlung. Ein Blick in die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme belehrt einen über die letzten 50 Jahre deren immer weitergehende Auffächerung in mehr und mehr Wellen bei gleichzeitiger Einschränkung kultureller Themenbereiche. Auch das wäre einmal zu präzisieren.

Bei all diesen Bewegungen wird man aber zugleich feststellen können, dass sich die musikalische Vielfalt auf Seiten der Produktion nicht unbedingt verengt hat (Anzahl der Urheber bei der GEMA hat seit 50 Jahren zugenommen, Studiengänge sind erweitert worden etc. pp.). Man kann also auch mit Recht behaupten, für die Produktionsmenge und -vielfalt sind die Diskursverluste womöglich irrelevant – oder die Diskurse habe sich nur zersplitternd verlagert. (Auch das könnte man einmal präzise analysieren.)

Was wird aus den „Positionen“?

Den Prozess der Veränderungen wird man demnächst an der Neuentwicklung der „Positionen“ unter der Redaktion von Engström und Zimmermann verfolgen dürfen. So weit sie sich im Podiumsgespräch einließen, konnte man heraushören, dass sie verstärkt auch im Netz präsent sein wollen. Da wird man also abwarten müssen, was da kommen wird.

Das alles konnte natürlich nicht diskutiert werden, aber das soll hier durchaus einmal in den Ring der kommenden Analysen geworfen werden. Wenn mich nicht alles täuscht, wird es dazu in einer der nächsten Ausgaben der nmz ein Dossier zum Thema geben.

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