Seit 1999 steht Mozart an mehreren Orten auf der Bühne und singt und tanzt – meist überstrahlt vom Film „Amadeus“ aus dem Jahr 1984. Doch dieses überbordende Genie und seine Werke bleiben so herausfordernd reich, dass sie immer wieder eine weitere Ausdeutung anreizen. Jetzt also das tollkühne Unternehmen, die vieldeutige „Zauberflöte“ aus dem Opernhaus auf die Musical-Bühne zu holen.
Dröhnen statt Zauber – Ein „Zauberflöten“-Musical in Münchens Deutschem Theater uraufgeführt
„Niederschwellig“ ist ja ein neuer Leitbegriff gegenüber aller „Hochkultur“. Dabei steht Mozarts „Zauberflöte“ ohnehin im Ruf, als Einstieg in Werke mit singenden Menschen bestens geeignet zu sein … warum nicht also ein Musical? Komponist Frank Nimsgern, Sohn des Heldenbaritons Siegmund Nimsgern, ist genreübergreifend aufgewachsen und hat mehrfach große Stoffe in viel gespielte Musicals verwandelt.
Immerhin dachte er anfangs „Man kann doch Mozart nicht verbessern“. Also wird jede Figur von einer Orchestrierung begleitet, die Mozart damals gar nicht zur Verfügung gestanden hätte. In Nimsgerns Liedern trifft Cembalo auf E-Gitarre, Ballade auf Rocksong und die Wiener Klassik auf das 21. Jahrhundert – und zur fast originalen „Der-Hölle-Rache“ der Königin der Nacht gesteht Nimsgern: „Wenn ich das ein oder andere Mal Mozart zitiere, geschieht es mit einer tiefen Verneigung.“ Den 32 Musiknummern kann ariose Sanglichkeit und hübsche Melodik attestiert werden, wäre da nicht: ein Sound-Team, das jeden „Regler“ als „Voll-Aufdreher“ missversteht – Ergebnis: statt Intensität nur Wummern und Dröhnen als ob eine Freiluftarena mit Fortissimo geflutet werden müsste.
Dabei konnten die Solisten durchaus singen, etwa die ein paar Mal um schönes Piano bemühte Pamina von Misha Kovar, der etwas reife, stämmige Tamino von Patrick Stanke, der als Conchita Wurst kostümierte Sarastro von Bass-Bariton Christian Schöne oder die herrische Königin der Nacht von Katja Berg, deren Koloraturen nur „eingespielt künstlich“ klangen. Der nur nette Papageno von Tim Wilhelm wurde von einem schwulen Kakadu (Mario Mariano) begleitet, während Papagena (Stefanie Gröning) an edlen Seilen hängend Halbakrobatik vollführte – vor allem aber war der im Original dunkelhäutige Monostatos political correct in einen weißhaarigen Weißen verwandelt, den Bariton Chris Murray als „Rattenrichter“ mit Weltherrschaftsplänen ausstatten sollte, was aber nicht so recht gelang, denn er und die übrigen guten Solisten wurden mehrfach umtanzt – etwas zwischen goldigem „Friedrichstadt-Palast“, farblich hübschen „Parsifal“-Blumenmädchen und halb-sexy „Nachtclub für Arme“, wofür drei junge Damen choreografisch verantwortlich genannt waren.
Da sollte nach dieser kurzen Serie in Münchens Deutschem Theater für die dann lange Spieldauer im Sommer deutlich nachgearbeitet werden: „Am Festspielhaus Füssen werden viele dramatische Stücke gespielt: Die Päpstin stirbt, König Ludwig stirbt und der Zeppelin geht in Flammen auf“, sagt der künstlerische Leiter und Librettist Benjamin Sahler. Mit der Zauberflöte wollte er ein Musical schaffen, das mit einer positiven Botschaft endet und den Menschen in diesen herausfordernden Zeiten Hoffnung gibt.
Dafür kann das finale „Geh mit mir“ von Song-Texterin Aino Laos stehen, aber ansonsten blieben Glockenspiel und Zauberflöte eher Rand-Requisiten und sprachlich geisterten die Dialoge zwischen Taminos „ohne Kompass“, einer Rosen-Überreichung mit „Ah, falsches Stück“ und „Ja, Boss“ eines Sklaven im stilistischen Anything-goes. Das extra eingeführte „Orakel“ rettete mit erläuternden Texten inhaltlich nichts. Lediglich die Kostümvielfalt von Raphaela Dürr ist zu loben. Da überzeugen die Laser-Schwerter in der Bühneninszenierung am Gärtnerplatztheater mehr – und feinen Theaterzauber verstrahlt selbst die DVD von Ingmar Bergmans „Zauberflöte“ von 1975.
- Von Mai bis September im Festspielhaus Füssen.
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