Hand aufs Herz: Oft scheint die Dramaturgie eines Konzertprogramms mehr den äußeren wie inneren Zwängen des Musiklebens zu gehorchen als einer durchgehenden, konzeptionellen Idee. Wie eindrucksvoll allerdings eine Folge sein kann, bei der sich die gespielten Werke epochenübergreifend auf höherer musikalisch-ästhetischer Ebene begegnen, zeigte am 2. April 2016 ein Abend mit dem Deutschen Symphonie Orchester in der Berliner Philharmonie – mit Haydn, Holst und einer deutschen Erstaufführung.
Zu gerne hätte man in die Sterne geschaut, auch wenn es Gustav Holst bei seiner zwischen 1914 und 1917 entstandenen Planeten-Suite eher um Aspekte der Astrologie als der Astronomie ging. Vielfach unverfroren als Vorlage zur klanglichen Untermalung diverser Filmepen aus nahen und fernen Regionen der Galaxis verwendet, hört man das Original nur selten einmal live gespielt: Der von der Partitur geforderte Aufwand (einschließlich eines in der Ferne postierten Frauenchores) wirkt eher abschreckend als einladend. Und dann ist da ja noch die Spielzeit von über 50 Minuten… Als ideale Ergänzung dazu erwies sich die Einleitung aus Haydn „Schöpfung“ – entzieht sich doch seine „Vorstellung des Chaos“ ebenfalls einer bloß beschreibenden Dramaturgie. Hier entlockte Edward Gardner dem Deutschen Symphonie Orchester spannungsgeladene fahle Klänge, die man sonst nur aus der historisch informierten Aufführungspraxis kennt. Umso erstaunlicher, dass die Holst’schen Planeten nicht abgerundet, sondern kantig ihre Bahn zogen. Dem kraftvollen Mars fehlte es an einer klaren Gestaltung der unterschiedlichen klanglichen Ebenen, dem Jupiter als „Bringer der Fröhlichkeit“ die damit verbundene selbstverständliche Leichtigkeit des opulenten Apparates.
Ohnehin stand eher ein neues Werk des britischen Komponisten Julian Anderson im Mittelpunkt. Mit „In lieblicher Bläue“ überschrieben und als „Gedicht für Violine und Orchester“ bezeichnet, handelt es sich dabei nicht nur um ein gemeinsames Auftragswerk des Deutschen Symphonie Orchesters, des London Philharmonic Orchestra und der Seattle Symphony, sondern auch (so Anderson) um die Erfüllung des schon lange gehegten Wunsches, Hölderlins Verse wortlos in Musik zu reflektieren. Ob aber solch lang Erträumtes schöpferisch auch immer eine adäquate Umsetzung erfahren kann, sei dahin gestellt. So handelt es sich auf der einen Seite um ein Werk voll feiner, geheimnisvoller Poesie, überraschender Kantabilität und Farbigkeit: „Du schönes Bächlein, du scheinest rührend, indem du rollest so klar, wie das Auge der Gottheit, durch die Milchstraße.“ Auf der anderen Seite mag es manieriert erscheinen, den Solisten anfänglich außerhalb des Raums zu positionieren (eine dem Holst-Uranus vergleichbare Wirkung wurde dadurch nicht erzielt), ihn allmählich, fortwährend spielend, auf seinen angestammten Platz hereinkommen und ihn später mit einem Bleistift die Saiten in Schwingung versetzen zu lassen.
Die von Andersson szenisch gedachten Momente blieben daher eher auf die verdichteten Passagen mit ihrer musiktheatralischen Interaktion von Solo und Orchester beschränkt. Gewichtiger muteten die lang webenden Linien an, sie glichen einer in sich gekehrten Auseinandersetzung – und waren damit auch nicht immer nach außen hin einsichtig. Carolin Widmann, die auch zwei Wochen zuvor die Londoner Uraufführung gespielt hatte, stellte ihr famoses Spiel ganz in den Dienst der Komposition.