Kultur findet momentan nicht statt, planen aber lässt sie sich allemal. Bei einigen der 83 öffentlich finanzierten Opernhäuser in Deutschland herrscht inmitten der erzwungenen Spielpause dennoch erhöhte Betriebsamkeit. Bei den Häusern in Bonn, Bayreuth, Düsseldorf, Dresden, Frankfurt, München und Stuttgart besteht dringender Sanierungsbedarf. Die Berliner Staatsoper hat ihre rund 400 Millionen Euro teure Grundinstandsetzung bereits hinter sich.
Für die geplante Sanierung und Erweiterung der Staatsoper Stuttgart kalkuliert man gegenwärtig fast eine Milliarde. Und die Kosten für die seit 2012 laufende Sanierung der Oper Köln sind von ursprünglich 250 auf inzwischen 840 Millionen Euro explodiert, während die Wiedereröffnung immer wieder verschoben werden musste, aktuell auf Herbst 2024. Durch diese Debakel gewarnt, liebäugelt man jetzt in Düsseldorf mit einem Neubau.
Nach Kriegszerstörungen und umfassenden Umbauten wurde die Deutsche Oper am Rhein 1956 eröffnet. Das unzerstört gebliebene Hinterhaus ist nun jedoch marode und die Technik veraltet. Zudem fehlt eine zweite Seitenbühne und es gibt zu wenige Proberäume. Oberbürgermeister, Kulturdezernent, Projektleiterin und Intendanz erwägen daher verschiedene Optionen. Da eine Sanierung womöglich teurer käme und ein modernes Opernhaus idealerweise ein „urbaner Schmelztiegel der Künste“ sein soll, neigt man zu Abriss und Neubau entweder an derselben Stelle im Hofgarten oder andernorts im zentralen Stadtgebiet. Erstrebt wird ein möglichst rund um die Uhr zugängliches Haus mit breiter gesellschaftlicher Öffnung, flexiblen Raumangeboten, modernster Technik, variabler Nutzung für Oper, Ballett, Junge Oper, Konzert, Workshops, Ausstellungen, Gastronomie und Vernetzung mit anderen künstlerischen Akteuren der Stadt.
Und natürlich soll das zwischen 2030 und 2039 eröffnende Opernhaus ein „Signature-Building“ werden, ein neues „Wahrzeichen für die Landeshauptstadt“. Der „städtebauliche Quantensprung“ soll die Düsseldorfer mit Stolz erfüllen und Touristen anlocken, wie es die neuen Opern- und Konzerthäuser in Kopenhagen, Bilbao oder Hamburg vorgemacht haben. Das Düsseldorfer Architekturbüro RKW sieht die neue Deutsche Oper am Rhein mit 1.400 Sitzplätzen tatsächlich am Fluss, auf einem Sporn zwischen Medienhafen und Rhein unweit des Landtags. Man plant ein Multifunktionsgebäude mit Hotel, Einzelhandel, Dachterrasse, Tiefgarage und neuem U-Bahn-Anschluss. Hinter- und Seitenbühnen lassen sich hydraulisch zu Publikumsrängen hochfahren, um die Duisburger und Düsseldorfer Symphoniker in einem Konzertsaal mit 2.500 Plätzen von allen Seiten hören und sehen zu lassen. Eröffnet werden könnte das neue Haus dann mit Stockhausens „Carré“ für vier Orchester und vier Chorgruppen. Doch nein! Da sitzt ja das Publikum im Zentrum, umgeben von vier Ensembles. Dann also doch lieber die Uraufführung einer neuen Komposition für oktophon im Raum rotierende Schallquellen, wild umher zirkulierende Instrumentalisten, diagonal kreuzende Sänger und zu gesteigerter Ekstase hydraulisch auf und ab wogendes Publikum. Endlich wieder Zukunftsmusik!
Uraufführungen (unter Vorbehalt):
- 13.04.: Vladimir Guicheff Bogacz, Sofia Scheps, neue Werke für ensemble aventure, Elisabeth Schneider Stiftung Freiburg
- 17.04.: Paul-Heinz Dittrich, Memento Malum nach Celans Todesfuge, Festival Tonlagen Dresden Hellerau
- 23.–25.04.: Wittener Tage für neue Kammermusik mit neuen Werken von Mauro Lanza, Céline Steiner, Sasha Blondeau, Brice Pauset, Huihui Cheng, Christian Winther Christensen, Mirela Ivicevic, Klaus Lang, Zaneta Rydzewska, Bernhard Gander, Zeynep Gedizlioglu, Milica Djorjevic, Birke Bertelmeier u.a.
- 23.04.: Helmut Lachenmann, finale Fassung von My Melodies, musica viva, Herkulessaal München
- 26.04.: Toshio Hosokawa, Violin Concerto, Elbphilharmonie Hamburg; Benjamin Schweitzer, Geisterseher für Violine und Klavier, Konzerthaus Berlin
- 30.04.: Isabel Mundry, Im Dickicht nach einem Libretto von Händl Klaus, Schwetzinger Festspiele