Brigitte Fassbaender inszeniert zur 150-Jahr-Feier des Münchner Staatstheaters am Gärtnerplatz Rossinis „La Cenerentola“. Wolf-Dieter Peter war dabei.
„Aushäusig“ – fast wie Aschenbrödel im Haus des Stiefvaters – musste das Staatstheater am Gärtnerplatz sein 150-jähriges Jubiläum feiern. Vor über 2.000 Besuchern und Passanten wurden auf die verhüllte Baufassade Glückwünsche aus aller Theaterwelt projiziert, dann formten orangefarbene Stuntmen mit ihren Körpern die Zahl „150“ auf der Fassade und ein Gläschen Sekt wurde ausgeschenkt. Mehr ging nicht, denn Isarschwemmgrund, Asbest und Erweiterungsankäufe verzögerten die Fertigstellung zum Jubiläumstermin am 4.November. Der damals neue Intendant Joseph Köpplinger gastiert deshalb seit 2012 mit seinen Produktionen im Prinzregententheater, dem Circus Krone oder der Münchner Reithalle. Zur Jubliäumspremiere ging es jetzt ins Cuvilliéstheater.
Eine klassische „opera buffa“ war gewählt – und mit Brigitte Fassbaender eine metiersichere Könnerin. Prompt gab es viel Amüsement, dann auch Gelächter und zweimal begeisterten Szenenapplaus. Mit ihrem Ausstattungsduo Grebmer-Müller-Haslinger zeigte Fassbaender eine entlarvend bunte Märchenwelt im schnellen Kulissenwandel.
Die zwei verwöhnten Stiefschwestern Cenerentolas „wohnen“ in großen Kleiderschränken – denn die sind mit all ihren Accessoires „ihre Welt“ – und die kess-schlanke Tisbe von Dorothea Spilger wie die verspielt frauliche Clorinda von Mercedes Arcuri drapierten sich mit allem Schnickschnack überdrehter Mode und gebärdeten sich biestig affektiert. Umgedreht formten diese Schränke dann aber eine Duschecke mit ausfahrbarem Duschkopf, Waschzuber und ausklappbarem Rasierspiegel – und da kam dann ein spätmorgendlich missmutiges, nur mit Handtuch bekleidetes, etwa 1,65 Meter „klein-großes“ Mannsbild, verwuselte Resthaare, echter strammer Embonpoint samt Behaarung: der Don Magnifico von Marco Filippo Romano. Er wurde den ganzen Abend über so etwas wie das „Panda-Wunder aussterbender italienischer Buffo-Kultur“: kerniger Bassbariton, überdrehte Gestik, durchgehend pfiffiges Mienenspiel über den eigenen Part hinaus im Kommentar zu allem rundherum und ein sportiver Körpereinsatz zwischen Tanz, Sprung, Stolpern und Fallen, dass es eine Wonne war, so viel hochprofessionelles Können zu erleben.
Da stand der mehrfach in Richtung „klassischer Belcanto“ zielende Gesang von Diana Haller als Cenerentola und Arthur Espiritu sozusagen im „Erlebnisschatten“ – was dann zunehmend alle dazu verführte, im intimen Raum des Cuvilliéstheaters zu sehr vokal aufzudrehen – in Richtung Anna Russels berühmten „Anything you can sing, I can sing louder“. Da sollte Dirigent Michael Brandstätter künftig durchweg dämpfende Signale geben. Jetzt animierte er durch erfreulich rasante Tempiwahl über die Premierenanspannung hinaus mehrfach ein Fortissimo, das Rossinis steigernde Walzeneffekte nur noch tosen ließ.
Doch die Feierstimmung brauchte das gar nicht. Regisseurin Fassbaender scheute sich nicht, zum Jubiläum szenisch auch ein bisschen mit einer „Bayerischen Sahnetorte“ zu werfen: der Prinz und sein Double Dandini (Vittorio Prato als umschwärmter Heiratskandidat) traten als Märchenkönig Ludwig II. vor einem Mini-Neuschwanstein auf, flankiert vom differenziert mitspielenden Herrenchor als uniforme Lieblingsadjudanten des historischen Märchenkönigs; als der Prinz Aschenbrödel schließlich erlöst, kommt sie als Sissi im Reitkostüm auf die Bühne und entschwindet mit ihm in Kulisse und Muschelboot der Venusgrotte von Schloss Linderhof – bayerisches Staatstheaterherz, was willst du mehr!? Naja, ein bisschen mehr human-weise Inszenierung durch den Prinzenerzieher Alidoro von Istvan Kovacs und der finale Sieg von Güte und Verzeihen als kritisch herausfordernde Utopie hätten auch noch sein können – aber am Premierenabend dominierte zurecht erst einmal die helle Buffa-Freude. Um die Zukunft des 150jährigen Jubiläumskinds braucht sich der Theaterfreund keine Sorgen zu machen: alles höchst lebendig und wohl proportioniert – Glückwunsch!