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Ein Eisbrecher für viele Supertanker

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Kaum hat man sich an die Ferienstille (mit einigem entfernten Expo-Grollen und festlichem Salzburger Hintergrundrauschen) gewöhnt, beginnt bereits die neue Uraufführungssaison, und ein Verband von Musik-Frachtern, darunter einige Supertanker (beladen mit dem ökologisch ganz und gar unbedenklichem Treibstoff des Musiklebens: Neuer Musik), begibt sich auf hohe See. Doch zunächst macht an einer der Grachten Amsterdams ein Eisbrecher die Leinen los, um dem Neuen einen Weg zu bahnen. Am 31. August begann die Internationale Gaudeamus Muziekweek, von deren insgesamt 16 Konzerten bis zum 10.9. vier im Szenecafé „De Ijsbreker“ stattfinden. „Der Eisbrecher“ enthält nicht nur gemütliches Mobiliar und einen kritikertauglichen Tresen, sondern auch einen Konzertsaal-Refugium für ungewohnte Töne. Namedroping ist bei der Muziekweek fast zwecklos: Die hier präsentierten Namen kennt in der Regel nicht einmal der gewiefteste Begleiter der Szene – zumindest noch nicht. Die meisten sind keine dreißig Jahre alt, doch wie die Erfahrung vergangener Jahrzehnte zeigt, werden aus dieser internationalen Komponistenschar sicher ein paar Größen der Musikgeschichte hervorgehen. Unter anderem gibt es zwölf Uraufführungen, und die hochkarätige Interpretenschar zumeist holländischer Provenienz lässt den Musikabenteurer sich geradezu im Paradiese wähnen.

Allein im September befinden sich im Gefolge des Ijsbrekers: das Europäische Musikfest Stuttgart (mit drei Passionsvertonungen von Sofia Gubaidulina am 1. September, Osvaldo Golijov am 5. September und dem in letzter Zeit leider unsäglichem Kitsch zugeneigten Tan Dun am 8. September), das Festival Voix Nouvelles in der mittelalterlichen Abtei von Royaumont und vom 13. bis 24. September die Klangspuren Schwaz. Zwei der größten und traditionsreichsten Festivals schließen sich an, vom 15. bis 23. September der Warschauer Herbst, dessen 23 Konzerte neue Werke unter anderem von Martin Smolka, Bettina Skrzypzcak, Wlodzimierz Kotonski, Pawel Szymanski und Jukka Tiensuu zu bieten haben und bis 4. Oktober das “musica“-Festival Strasburg mit Uraufführungen unter anderem von Brice Pauset, Stefano Gervasoni, Salvatore Sciarrino, James Wood. Dazu liefert Ahmed Essyad am 22. September mit „Héloise et Abélard“ nach Sarriahos „L’Amour de loin“ eine weitere Oper mit mittelalterlichem Sujet. Wer nun dauerhaft und mutwillig all unsere europäischen Musikschiffe verpasst, läuft Gefahr mit Heiner Müllers Hamlet einst berichten zu müssen: „Ich stand an der Küste und redete mit der Brandung Blabla, im Rücken die Ruinen von Europa“. Worte, zu hören in Strasburg am 30.9. in Georges Aperhigs’ neuem Oratorium „Die Hamletmaschine“.

Weitere Uraufführungs- und Premierentermine:

Werner Fritsch: Croma – Farbenlehre für Chamäleons, Musiktheater; neue Vokalwerke von Einojuhani Rautavaara, Petr Eben, Arvo Pärt und Veljo Tormis, Expo Hannover Neue Ensemblewerke u.a. von Friedrich Goldmann (Augenblick für Stimme), Jörg Herchet (kantate zum 4. sonntag nach epiphanias), Steffen Schleiermacher (Drang Saal) und Volker Staub, Deutscher Pavillon, Expo Hannover Toshio Hosokawa: Metamorphosis für Klarinette und Streichorchester mit Schlagzeug, Internationale Musikfestwochen Luzern Rochus Aust: 7 x 7000 Eichen für Trompete, Video, Elektronik, Kleve Bernhard Gál/Yumi Kori. „Defragmentation/red“ – RaumKlangZeit-Installation (bis 24.9.), Krypto-nale VI, Berlin Johannes Wallmann: „Zeitschwingung §“ – Klangskulptur (bis 23.9.), Kryptonale VI, Berlin Julian Klein: „Innen – Ich denke ich bin“ Theaterabend für Stimme, vier Schauspieler, Kammerensemble, medizinisch-akustische Live-Elektronik und Videoinstallation, Hannover Wilfried M. Danner: „Les sanglots longs violons d’automne“ für Orchester, Darmstadt Aulis Sallinen, König Lear, Oper, Helsinki Paul-Heinz Dittrich: Zerbrochene Bilder, Musiktheater, Schlosstheater Rheinsberg Hans Schanderl: Der Maschinist, Kammeroper, TheaterPorträt, Expo Hannover Ernst Krenek: „Sardakai“ konzertante Uraufführung der Neufassung, Berlin Johannes S. Sistermanns: À l’Intérieur de la Vue. WeltInnenRaum eines Tones, Expo Hannover Heiner Goebbels: „...Même soir“. Szenisches Konzept für 6 Schlagzeuger, musica viva München Olga Neuwirth/Elfriede Jelinek: Der Tod und das Mädchen II, Tanztheater, Expo Hannover Hans Zender: Bardo für Violoncello und Orchester, Winterthur  

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