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Ein Feuerwerk der Klaviermusik

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Musikbiennale Venedig sucht neue Organisationsmodelle
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Die Biennale Venedig, das internationale Festival für Film, bildende Kunst, Architektur, Theater, Tanz und Musik, ist eine halbstaatliche Institution und wird von der Regierung in Rom finanziert. Damit ist sie so wenig politikfern wie etwa das staatliche Radio und Fernsehen. Gegenwärtig befindet sie sich wieder einmal im Umbruch.

Die Biennale Venedig, das internationale Festival für Film, bildende Kunst, Architektur, Theater, Tanz und Musik, ist eine halbstaatliche Institution und wird von der Regierung in Rom finanziert. Damit ist sie so wenig politikfern wie etwa das staatliche Radio und Fernsehen. Gegenwärtig befindet sie sich wieder einmal im Umbruch. Es überraschte nicht, dass die Berlusconi-Regierung im Dezember 2001 einen neuen Biennale-Präsidenten ernannte: Franco Bernabé, zuvor Spitzenmanager bei der Ölgesellschaft ENI und bei der Telekom. Man erhoffte sich von ihm frische Ideen und eine neue Dynamik für die Kultur. Doch zu seinem Amtsantritt im Februar wurden ihm als Morgengabe gleich 17 Prozent der Mittel für das laufende Jahr gestrichen. Um diese Quote hatte die Regierung nämlich die italienischen Kulturausgaben gekürzt, und da die Biennale per Gesetz über ein Prozent des staatlichen Kulturbudgets verfügen kann, schlägt jede Mittelkürzung direkt auf ihren Haushalt durch. Darunter hatte nun auch die Musikbiennale zu leiden, deren erster Teil (im September folgen weitere Veranstaltungen) nun im Mai über die Bühne ging. Der vorläufige Effekt: Streichung von Projekten, Planungsunsicherheit und die vorzeitige Kündigung des Leiters der Sektion Musik, Bruno Canino.

Bernabé plant eine Flexibilisierung der Strukturen, indem er im Bereich Musik/Tanz/Theater für jede künstlerische Sektion nicht mehr einen Direktor für eine vierjährige Amtszeit ernennen will, sondern gleich deren drei, die sich in jährlichem Turnus ablösen sollten. Jeder von ihnen hätte dann die Pläne seines Vorgängers zu verwirklichen und zugleich neue zu entwickeln für den Nachfolger. Und weil Bernabé das Planungschaos, das unter diesen Einjahresdirektoren ausbrechen könnte, offenbar schon vorausahnt, will er ihnen auch gleich noch einen „coordinatore“ zur Seite stellen, der ihre divergierenden Aktivitäten unter einen Hut bringen soll.

Mit dieser „absolut innovativen Methode“ geht Bernabé gehörige Wagnisse ein. Was in der Wirtschaft vielleicht funktioniert, der schnelle Vollzug von schnellen Entscheidungen, könnte sich hier als Rohrkrepierer erweisen.

Künstlerische Prozesse müssen oft über Jahre hinweg reifen, brauchen also Kontinuität auch seitens der Veranstalter. Damit könnte die Idee einer permanenten und raschen Erneuerung des Produktionsapparats kollidieren. Außer man reduziert Kunst auf Tagesaktualität und saisonale Events. Im Verwaltungsrat der Biennale sollen Bernabés Pläne auf Widerstand stoßen, berichtete Mitte Mai die „República“. Die Zeitung verriet auch gleich eine lange Liste von Personen, die angeblich als neue Direktoren im Gespräch sind. Zu Bernabés Wahl sollen der brasilianische Tänzer Ismael Ivo, der Turiner Regisseur Massimo Castri und für die Musik der Jazzer Uri Caine sowie der Komponist Giorgio Battistelli gehören. Für den Tanz sollen angeblich auch die Namen von Sascha Waltz, für die Sektion Musik von Ada Gentile und Claudio Ambrosini gehandelt werden. Nicht zuletzt steht offenbar auch Mario Messinis wieder zur Debatte, der die Musikbiennale in den 80ern zu einsamen Höhenflügen führte. Die Spekulationen um Strukturen und Personen schossen jedenfalls im Mai noch wild ins Kraut, und es machte nicht den Anschein, dass bis zum angepeilten Termin von Anfang Juni eine Entscheidung über die Zukunft der Musikbiennale fallen würde.

Die Konzerte, die nun im Mai stattfanden, besaßen Merkmale des Übergangs. Ein kleiner Programmschwerpunkt mit Kammermusik und dem Bühnenwerk „Don Perlimplin“ war Bruno Maderna gewidmet. Eine Woche später folgte dann ein dreitägiges Feuerwerk zeitgenössischer Klaviermusik mit neun Pianisten. Die Mailänderin Maria Grazia Bellocchio brachte eine Uraufführung von Sandro Gorli mit, der Venezianer Komponist und Pianist Luca Mosca begeisterte seine Anhängerschaft mit prächtig-virtuosen Eigenkompositionen, Hiroaki Ooï baggerte sich souverän durch die Notenberge seines Xenakis-Programms. Stefan Litwin stellte in seinem kommentierten Konzert das intelligent komponierte Programm mit Werken von Liszt bis Lachenmann vor.

Herausragend war das Konzert von Massimiliano Damerini. Der italienische Virtuose und Klangzauberer schlug einen weiten Bogen von vier skrjabinesken Klavierstücken von Nikolai Roslavets in die Gegenwart: zu Klavierstücken von Luis de Pablo, zu „Daphnes Lied“, einer konzentriert und klanglich raffiniert gearbeiteten Komposition von Bettina Skrzypczak – sie war das einzige Auftragswerk dieser Biennale – und zur 3. Sonate von Carlo Alessandro Landini, die unaufhörlich um einen Zentralton pendelt und zugleich weite Räume öffnet.

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