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Foto: Paul Leclaire
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Ein Hauch von zarter Melancholie – Dietrich Hilsdorf inszeniert Verdis Falstaff in Köln

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Die Kölner warten bekanntlich noch immer darauf, mit ihrem Opernbetrieb wieder an das angestammte Haus am Offenbachplatz zurückkehren zu können. So lange aber dort noch Baustelle ist, gastiert man in Ausweichspielstätten wie dem Staatenhaus – eigentlich nichts weiter als eine große Halle, die bühnentechnisch keine großen Sprünge und spektakuläre theatralische Wirkungen erlaubt.

Aber eine üppige Bühnenmaschinerie braucht Dietrich Hilsdorf auch gar nicht für seinen „Falstaff“ - ihm reichen eine moderat schräge Spielfläche (Bühne: Dieter Richter), ein paar Tische und Stühle und ein Gazevorhang, auf dem ein üppiges Festmahl betuchter Leute aus der Zeit der Renaissance aufgemalt ist. Dieser Vorhang macht den Raum nach Bedarf mal zu einem intimen, mal zu einem weitläufigen – das Podium für Hilsdorfs Komödie, die er ganz fein und mit Liebe zum Detail entfaltet. Renate Schmitzer kostümiert wie immer höchst geschmackvoll: Abendanzug für die Herren, grauschwarz schattierte Kleider für die Damen.

Natürlich ist John Falstaff auch in Hilsdorfs Lesart eine im Grunde bemitleidenswerte Figur, der man schlussendlich viel Sympathie entgegenbringt und mit ihr beklagt: „die Welt ist schlecht“. Besser war sie, als Falstaffs Frack noch in Form war und nicht derartig zerschlissen; als sein Umgang mit anderen Menschen noch durchaus nobles Niveau hatte. Jetzt hockt er mit schäbigen, gammeligen Typen zusammen, die ihr Leben nur noch im Suff ertragen. So weit ist es bei ihm noch nicht gekommen, aber für den bislang gewohnten Lebens-Luxus und dessen Finanzierung wird’s denn doch langsam knapp. Deshalb der Versuch, den Damen Alice Ford und Meg Page seine Aufwartung zu machen – und so deren Geld zu ergattern.

Aber die Zeiten haben sich geändert: ein Ritter wie John Falstaff bekommt nicht mehr alles, was er will! Dafür findet Hilsdorf ein treffendes Bild: seinen dickleibigen Bauch schnallt sich der Titelheld einfach ab, nach seinem unfreiwilligen Bad in der Themse. Dabei war dieser sorgsam gepflegte Wanst doch ein so wirkungsvoller Schutzschild gegen eine immer feindlicher werdende Welt, ein schönes Symbol für das Funktionieren seines gewohnten Lebens.

Wie fast immer bei Hilsdorf ist alles perfekt aufeinander abgestimmt. Er hat einfach jede Figur im Auge und entwickelt sorgsam Gestik und Mimik, beweist sein unglaubliches Geschick, Ensembles bis ins Letzte durchzuformen, keine Figur jemals aus den Augen zu verlieren. Auch mit Situationskomik wird nicht gespart, spontane Lacher im Publikum sind die Folge. Und doch weht immer ein Hauch von zarter Melancholie über die Bühne. Die große Schlussszene kommt ganz ohne großen Zauber aus, vielmehr dient der finale Mummenschanz eher als Aufgalopp zum die Gegensätze überbrückenden Versöhnungsmahl. Ob alle wirklich glücklich sind? Ganz sicher nicht die brutal behandelte Prostituierte, mit der Hilsdorf wenigstens einer seiner „alten Bekannten“ wieder mal auf die Bühne schickt.

Glücklich ist auf jeden Fall das Publikum, denn die Kölner Solisten lassen sich auf das Ensemblespiel ein, interagieren und kommunizieren höchst spielfreudig. Martin Koch als armer geprügelter Dr. Cajus ebenso wie Ralf Rachbauer und Lucas Singer als Falstaffs Spießgesellen. Emily Hindrichs ist mit hellem Sopran eine eher forsche Nannetta. Liparit Avetisyan gibt als Fenton sein Deutschlanddebut und lässt mit strahlendem Tenor aufhorchen.

Die Stimmen der Damen mischen sich gerade in den Ensembles hervorragend, dunkel grundiert von Dalia Schaechter als Mrs. Quickly: sehr beweglich und einem Glas Likör niemals abgeneigt. Adriana Bastidas Gamboa als Meg Page und Natalie Karl als Alice Ford spinnen ihre Intrigen gegen Falstaff stimmlich eher mit feinen Nadelstichen denn mit Kraftoffensiven. Flexibel im Ausdruck singt Nicholas Pallesen den Ford, ist mal Power-Typ, mal kleinlaut Übertölpelter. Den Titelhelden spielt Lucio Gallo ganz vortrefflich, wenn er rollengestalterisch auch die ein oder andere Nuance schuldig bleibt.

Ganz auf der Höhe ist das Gürzenich-Orchester unter Will Humburg. Bei ihm geht von Verdis Musik mit all ihrer emotionalen Fülle und dynamischer Kraft nichts verloren – weder Momente des Innehaltens, feiner Ironie oder polternder Komik, gepaart mit einer gehörigen Portion Wehmut. Und dies vor allem wird in jedem Moment spürbar: der Riesenspaß, den sämtliche Akteure an dieser Inszenierung haben!

  • Weitere Aufführungen: 4., 6., 10., 12. und 16. November (letzte Vorstellung)
    www.oper.koeln

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