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Verdi „Ein Maskenball.“ Foto: Olaf Struck.
Verdi „Ein Maskenball.“ Foto: Olaf Struck.
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Ein „Maskenball“ in künstlicher Atmosphäre – Kiel erlaubt sich mit Verdi einen Blick in die Zukunft

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Eigentlich liebt das Publikum Verdis „Maskenball“, das Drama um Freundschaft und Liebe, um Missverstehen und Mord, um Verzweiflung und Vergeben. Dennoch regte die jüngste Inszenierung im Kieler Opernhaus (27. Januar 2018) auf. Heftige, ja böse klingende Buhs waren zu hören und rangen in der Lautstärke mit begeisterter Zustimmung. Umstritten war wie so oft nur die Regie, die das Geschehen in einem künstlichen Raum ansiedelt. Beim Musikalischen war man sich einig, nuancierte das Lob für die einzelnen Gesangsleistungen sogar achtbar.

Futuristische Aspekte

Das Kieler Publikum, so wie der Rezensent es bisher kennengelernt hat, bevorzugt eher einen konservativen Umgang mit einem Werk. Was ihm Pier Francesco Maestrini, der experimentell eingestellte italienische Opernregisseur, jetzt bot, zwang es wohl zu sehr zum Umdenken. Doch sollte man bedenken, dass seinerzeit Verdi mit dem sehr unzufrieden war, was die Zensur an Rücksichtnahmen bei seinem „Un ballo in maschera“ forderte, der als Reflex auf die Ermordung des schwedischen Königs Gustav III. in dessen Heimat spielen sollte. Dennoch stimmte Verdi schließlich zu, den König in einen unverdächtigeren Grafen zu wandeln, der als Gouverneur im weit entfernten Boston einzusetzen war. Auch wenn der Norden der amerikanischen Westküste Ende des 18. Jahrhunderts schon gut besiedelt, Boston selbst reich und mächtig war, muss den Römern 1859 zur Zeit der Uraufführung der Spielort fremd, eher unwirtlich, vielleicht exotisch vorgekommen sein. Will eine Inszenierung heute Verdis Schwierigkeiten nachempfinden lassen, bietet sich auf unserer Erdkugel kaum mehr ein ebenso gearteter Schauplatz. Maestrini suchte ihn wohl deshalb in der Zukunft, in einem Biosphärenreservat oder irgendwo auf einer interplanetaren Basis, wo er Graf Riccardo in einer Kommandozentrale residieren lässt. Das wirkte plausibel, ist das Handlungsgefüge doch auch so vorstellbar. Denn eines ist sicher, dass auch in Zukunft der Mensch sich nicht ändern wird, sich nicht vom heftigen Lieben und von heftigen Trieben lösen wird. Das hat uns Science-Fiction, längst salon- und kunstfähig geworden, schon vielfach bewiesen. Warum also der Buhschrei?

Sehr konsequent war das ganze Geschehen quasi wie auf einem Monitor zu verfolgen (Bühne und Video: Juan Guillermo Nova, auch er Italiener). Als Projektionsfläche diente ein Gazevorhang nahe der Rampe, ein zweiter begrenzte nach hinten den großen Spielraum. Nur wenige Kulissenteile, zumeist in Würfelform, gliederten ihn. Die Projektionen aber, abstrakt oder konkret, waren kunstvoll und verweisen vielschichtig auf die Handlung, erweiterten sie und richteten sich ausgesprochen stark nach Musik und Bühnenhandlung. Ob das Zahlenkolonnen waren, lineare Strukturen oder an Naturphänomene angelehnte Bildzeichen, alles hatte starken, verständlichen Verweischarakter.

In gleicher Weise wurden die Räume ganz im Sinne des Geschehens gedeutet. Kühl und machtvoll wirkte das erste Bild in einer isolierten Atmosphäre, stimmungsvoll die archaische Zauberwelt der Ulrica irgendwo und vielleicht erdnah wie das einsame, unheimliche Gefilde mit seinen vegetativen Projektionen. Im finalen Akt bot der Festsaal wieder eine nüchterne, technisch geprägte Umgebung, die durch strenge, zugleich kunstvolle Gewänder (Alfredo Troisi, dritter Italiener im Bunde) aufgewertet wurde. Natürlich agierte man in diesen Welten in tauglicher Bekleidung, die dennoch Hierarchien kennzeichnete und die Bösen von den Guten unterschied. Die Lichtgestaltung (Carsten Lenauer) tat ein Übriges, in manch gefühlsseligen Momenten, die die Oper immer wieder bietet, allerdings nahe dem Kitsch. Aber auch der ist in Zukunft nicht zu vermeiden.    

Live-Musik im isolierten Raum

So recht findet man daher keine Gründe, sich diesem Ansatz zu verschließen, zumal er konsequent und bildkräftig durchgehalten wird und die Personenführung und die schauspielerischen Leistungen überzeugten. Es wurde schon angedeutet, dass gesanglich viel geboten wurde. Darin war sich das Publikum einig, das unterschiedlich das Können honorierte. So war der Beifall für Yoonki Baek verhaltener. Er hat einen weichen Tenor, der den Riccardo weniger mit Kraft als mit Gefühl ausstattet, und anfangs Probleme, Höhen frei anzusteuern. Erst in der Schlussszene konnte er überzeugen. Sein Freund und Gegenspieler Renato (oder René) dagegen wurde von Kiels jüngst zum Kammersänger erhobenen Tomohiro Takada gesungen. Der bewies wieder einmal, wie sehr er das Prädikat verdient. Alle Register vom feinsinnig Lyrischen bis zum fest Entschlossenen kann er ziehen und das im Spiel unterstützen. Amelia, mit Agnieska Hauser stimmlich gut besetzt, war im Spiel, z. B. in der Nachtszene, eher verhalten. Anders war das bei Tatia Jibladze, die mit ihrem gut geführten Mezzo auch mimisch eine selbstbewusste, kraftvolle Ulrica gestaltete. Eine Freude war es, vom Publikum reich beklatscht, Mercedes Arcuri als Oscar zu erleben. Erfrischend vital und stimmlich immer herausragend war sie ein agiler, unbekümmert den lebensbejahenden Gegensatz gestaltender Page. Vom Klang konträr imponierten dann die schwarz-bassigen Verschwörer Samuel und Tom, mit Matteo Maria Ferretti und Riihonen Timo stark besetzt, sowie der wendige Bariton Junggeun Choi als Matrose Silvano. Von Lan Tran Dinh sorgsam einstudiert machte zudem der Chor seine vielfältigen Partien zu einem akustischen Erlebnis. Großen Anteil am musikalischen Erfolg hatte trotz einiger Unschärfen das Orchester. Daniel Carlberg führte es gut abgestuft, erlaubte ihm dennoch an solistischen Stellen in der Dynamik zu viele Freiheiten.

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