Schauplatz ist die Augsburger Szene-Location Kantine auf ehemaligem Kasernengelände: innen poppige Wandbemalung, Barbetrieb, Schummerlicht, Chillecke, Band-Equipment auf der Bühne. Hier zeigen gleich drei einheimische Newcomer-Bands, was sie in dem vorangegangenen „Popcollege“, einem fünftägigen Coaching zum Thema Performance, Technik und Marketing gelernt haben.
Kurz vor Beginn strömt junges Publikum vom Szenetyp bis Punk herein. Ein Herr im Anzug schlängelt sich an Drums und Kabeln vorbei zum Mikro: „Guten Abend, meine Damen und Herren“, beginnt er. Bald darauf setzt die Rockband „Kölbenkoopf“ mit hämmerndem Rhythmus ein. Die Zuhörer gehen begeistert mit.
Das „Popcollege“ war eine der rund 60 Veranstaltungen des ersten Augsburger Modular-Festivals und beispielhaft: Nämlich ein Event, das von jungen Menschen gemacht, auf sie zugeschnitten und von städtischer Seite wirksam und angenehm diskret unterstützt wurde. Genauso gut gelang das ganze Festival. Denn an diesen drei Tagen Jugendkultur satt vom 2. bis zum 4. April zeigte sich, dass es in Augsburg auch einmütig geht. Sogar das Wetter spielte mit. Dabei ist das Thema in der drittgrößten Stadt Bayerns eigentlich ein Zankapfel: Beliebte Jugendevents wie x-large gingen wegen fehlender finanzieller Förderung ein, und die feierfreudige Clubmeile im Zentrum erhitzt regelmäßig nicht nur die Anwohner-Gemüter. Im März 2007 endlich trafen sich Organisatoren und Politik am runden Tisch zum grundlegenden Gespräch, ein Jahr später stand die Grobkonzeption für das geplante Jugendkultur-Highlight: Es sollte nicht nur aus Musik, sondern aus möglichst vielen Modulen sein, vielerorts und zugleich zentral gelegen, dabei – wohl zur Konfliktvermeidung – Indoor. Der Stadtjugendring übernahm die Umsetzung, ein Scout wurde engagiert, Netzwerke gesponnen.
Volkshochschule, Kinos, Theater, Medien, Turnvereine oder auch das Projekt „Mehr Musik!“ des bundesweiten Netzwerks Neue Musik wurden partnerschaftlich motiviert und integriert, ein „Klubkombinat“ ins Leben gerufen. 21 Workshops wurden angeregt, Blog und Homepage eingerichtet. Der Stein kam ins Rollen, der Workflow in Fluss, ungeahnte Kultur-Spielarten tauchten auf – wie „Big Battle“, laut Initiator Manuel Schedl eine „Comic-Trash-Wrestling-Theater-Performance-Show“ mit selbst gebasteltem Outfit und sportivem Jubel. Der jüngst gekürte Popbeauftragte Richard Goerlich lud renommierte Macher aus Radio- und Plattenbusiness zur „Popsprechstunde“ mit ausgewählten Augsburger Bands.
„So langsam fügte sich alles zusammen“, erinnert sich Sebastian Kochs, Leiter des sechsköpfigen Projektteams des Stadtjugendrings. Inzwischen brachten Wahlen eine neue Stadtregierung, die sich ohnehin verstärkte Jugendarbeit auf die Fahnen geschrieben hatte und dem vereinbarten Budget von 160.000 Euro plus 60.000 Euro zum „Anschieben“ nochmals 10.000 Euro beisteuerte.
Dazu kamen Sponsorengelder, eine Menge unbezahlbarer Idealismus, freiwillige Helfer und die „Glaubwürdigkeit“ der Organisatoren, so Kochs: Die Jugendlichen wüssten, dass sie von ihnen ernst genommen werden. Und deren Potenzial sei riesig. Die Modular-Bandbreite war es auch – obwohl nicht alle Pläne verwirklicht, nicht alle Türen geöffnet werden konnten. Eine LAN-Party als virtueller Beitrag zum Beispiel scheiterte an fehlender Location, die Reihe „Junge Literatur in alten Cafés“ an mangelndem Interesse; das Handyfilmfestival, eine Idee der ersten Stunde, wurde auf nächstes Mal verschoben.
Denn das Folge-Modular ist bereits sicher, dasselbe Budget auch. Diesmal wurden bereits zehn jugendkulturelle Bereiche abgedeckt, 24 Orte bespielt, 60 Filme gezeigt, 50 Bands und 36 DJs engagiert. Zentrale Anlaufstelle war die Stadtmetzg, die im 17. Jahrhundert die Fleischerzunft, später die „Reichsstädtische Kunstakademie“ beherbergte.
Dort fand inmitten bunt-vitaler Exponate aus der Street Art der Festivalauftakt vor geladenen Gästen statt, während die Clubs mit ersten Knüllern wie einem „Song Slam“, diversen Installationen vom Unterwasserfilm bis zur Luftblasen-Animation an der Stadtmetzg-Fassade oder einer Lesung der Berliner Autorin Kirsten Fuchs lockten. Überhaupt war die Balance zwischen „hauseigenen“ und gastierenden Künstlern und Kunstwerken bemerkenswert. Namhafte Gäste wie die Sixtie-Rockband „The Bishops“ oder das Duo Attwenger aus Österreich waren hier ebenso zu hören wie „Puppet on a string“: Eine achtköpfige Fusion aus Jazz- und klassischen Musikern, die Songs stadtbekannter Bands adaptierte und auch mal etwa mit einem Bachzitat würzte.
Anfängliche Hemmungen wichen bald einhelliger Begeisterung. So auch bei der Resonanz: Zwar war der Vorverkauf laut Kochs erst „katastrophal“ gewesen. Aber am zweiten Festivaltag waren die Schülerbudget-freundlichen Karten restlos ausverkauft. Modular hat sich bewährt.