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Erfahrungsaustausch beim westöstlichen Diwan in Salzburg. Von links nach rechts: Mariam Said, die Witwe des Orchestergründers Edward Said, der Dirigent Daniel Barenboim, Jürgen Flimm, Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, der Konzertch
Erfahrungsaustausch beim westöstlichen Diwan in Salzburg. Von links nach rechts: Mariam Said, die Witwe des Orchestergründers Edward Said, der Dirigent Daniel Barenboim, Jürgen Flimm, Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, der Konzertch
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Ein Orchester zum Musizieren, Studieren und Versöhnen

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Salzburger Festspiele 2007: eine Residenz des West-Eastern Divan Orchestra · Von Jörn Florian Fuchs
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Das 1999 von Daniel Barenboim und Edward Said in Weimar gegründete West-Eastern Divan Orchestra ist mittlerweile zu einem international erfolgreichen Klangkörper gereift. Die vorwiegend jungen Musiker aus Israel, den palästinensischen Gebieten sowie aus Ägypten, Jordanien und weiteren Ländern der Region spielen unter der alleinigen Leitung Barenboims besonders gern westlich-romantische Töne und die großen symphonischen Brocken à la Russe.

Auch in Salzburg gab es zunächst das gewohnte Repertoire im Konzert zu erleben: Tschaikowskys „Pathétique“ erklang als wuchtiges Klangtableau, Beethovens dritte Leonoren-Ouvertüre als hämmernd-lauter Parforce-Ritt mit Tendenz zum Marsch. Hohe Luzidität besaßen dagegen Schönbergs Orchestervariationen op. 31. Auf den ersten Blick wirkte die Einladung des Orchesters zu den Salzburger Festspielen jedoch eher (kultur-) politisch denn künstlerisch motiviert. Schließlich stehen mit den Wiener oder Berliner Philharmonikern, mit den Lokalmatadoren Mozarteum Orchester und Camerata Salzburg sowie den zahlreichen Gastorchestern ausreichend befähigte Ensembles für das konventionelle oder leicht anmodernisierte Klassische zur Verfügung. Glücklicherweise setzte der neue Salzburger Konzertchef Markus Hinterhäuser aber nicht nur aufs multikulturelle, harmonische Abfeiern einschlägiger Werke – geboten wurde vielmehr auch eine „Schule des Hörens“. An drei Nachmittagen stand die Universitätsaula den regulären Festspielbesuchern ebenso wie zahlreichen Studenten offen. Am ersten Tag probte Barenboim Beethovens dritte Leonoren-Ouvertüre und gab ausführliche Einblicke ins Probieren und Studieren. Unglücklicherweise unternahm Barenboim etliche langatmige Exkurse und begab sich auf (eher dünnes) philosophisches Terrain. Barenboim sprach von der Aufgabe des Dirigenten, die Töne am Leben zu halten (eigentlich wollten diese nämlich – beständig – sterben) und von der Ähnlichkeit zwischen Leben und Musik: beide kämen aus dem Nichts und kehrten letztendlich wieder dorthin zurück. Die etwas platte metaphysische Kaffeestunde wurde erst spannend, als das Publikum den Dirigenten mit konkreten Fragen nach seiner Schlagtechnik, nach Phrasierungsgestaltungen, Tempovorstellungen et cetera konfrontierte.

Beim zweiten Hörnachmittag holte sich Barenboim Verstärkung in Form von Nachwuchstalent Robin Ticciati und es kam zu einer mal illustren, mal richtig heftigen Diskussion. Während Barenboim den jungen Kollegen vor allem musikwissenschaftlich beraten wollte, erklärte dieser sich zum begeisterten Emphatiker, der eine bestimmte Passage eben genau so dirigiere, wie er sie spüre. Der Casus belli war übrigens erneut die dritte Leonoren-Ouvertüre.
Wer dann noch einen weiteren Nachmittag hergab und auf den in Salzburg eigentlich inkommensurablen Kaffeehausbesuch verzichtete, der wurde reichlich belohnt und erlebte einen echten Höhepunkt der Festspielsaison. Erstmals stand Altmeister Pierre Boulez am Pult der west-östlichen Musiker und erklärte knapp, präzise, aber ungemein charmant, welche strukturellen Klippen es bei Bartóks „Vier Orchesterstücken“ gibt. Boulez lieferte innerhalb einer guten Stunde die glasklare Durchleuchtung der Partitur und gab dabei noch tiefe Einblicke ins Taktgeben. Wer richtet sich wann und wie nach welcher Handbewegung? Das alles wurde so verständlich, wie sich die Vielzahl der Bartók’schen Themen und Motive unter Boulez’ Dirigat zu einer genau nachvollziehbaren Klangreise fügten.

In weiteren Konzerten bewiesen die Musiker, welch hohen Standard vor allem die Streicher und das tiefe Blech besitzen. Und es wurde deutlich, dass es keinen wirklich genuinen West-Eastern-Stil gibt – der Dirigent formt das willige Orchester nach seinem Maß. Daniel Barenboim programmierte einen ganzen Tag für diverse Besetzungen, von Kammerensembles bis zum ganz großen Apparat. Eindrucksvoll griff er selbst beim „Forellenquintett“ in die Tasten, Patrice Chéreau rezititierte den französischen Text zu Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“, einzig das Zeitgenössische blieb eine Leerstelle.

Am Ende dieses langen Musiktages schwirrte einem der Kopf vor lauter enthusiastisch musizierter Töne. Eine Niveausteigerung muss man dem West-Eastern Divan Orchester eigentlich nicht wünschen, vielleicht eher mal andere Dirigenten, die das Repertoire erweitern. Und warum nimmt man sich nicht endlich mal Werke aus den Heimatländern der Musiker vor? Das gemeinsame Musizieren solch einheimischer Musik wäre vielleicht der nächste Schritt auf dem bisher so erfolgreichen Weg der kulturellen Verständigung, es wäre eine noch tiefere Integrationsarbeit des Orchesters, nach innen wie nach außen.
In diesem Zusammenhang darf man auf die Vergangenheit der Salzburger Festspielen verweisen. Beim legendären „Zeitfluss“-Festival, das zur Mortier-Zeit das Konzert-und Musiktheaterangebot der Festspiele in den Perspektiven enorm erweitert hat, beschäftigten sich viele der Konzerte mit der Musik auch aus arabischen Ländern. Eine Reihe qualifizierter Ensembles kam damals nach Salzburg. Das „Zeitfluss“-Festival wurde von Markus Hinterhäuser konzipiert. Heute ist Hinterhäuser Konzert-referent der Festspiele. Das könnte doch eine dauerhafte Verbindung zwischen Salzburg und dem West-Eastern Divan Orchestra ergeben.

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