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Jeanne d'Arc au bûcher: Johanna Wokalek (Jeanne d'Arc) und Ensemble. Foto: Barbara Aumüller.
Jeanne d'Arc au bûcher: Johanna Wokalek (Jeanne d'Arc) und Ensemble. Foto: Barbara Aumüller.
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Ein Scheiterhaufen als Appell –Honeggers „Jeanne d’Arc au bûcher“ an der Oper Frankfurt

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Der Gegensatz konnte kaum größer sein, und doch erschien er am Ende in bedeut­samer Sinnfälligkeit: auf der einen Seite als himmlisches Vorspiel Claude Debu­ssys präimpressionistisches Poème lyrique „La Damoiselle élue“ (1893), auf der anderen das in dunkle, schmutzig-drohende Bilder getränkte Oratorium „Jeanne d’Arc au bûcher“ (1935) von Arthur Honegger. Eine direkt anfassende, ja aufrüt­telnde Doppelinszenierung durch Àlex Ollé und sein spanisch-katalanisches Kollektiv „La Fura dels Baus“.

Diese Zweiteilung setzte sich auch im Bühnenbild mit einem eingezogenen durchsichtigen Zwischenboden fort als ein Oben und Unten: dort der Himmel, hier die Erde, oder besser noch: die Hölle der realen Welt. Schaut zunächst die Auserwählte über die goldene Barriere des Himmels in Erwartung ihres (noch) irdischen Geliebten, ist es am Ende des Abends Jeanne d’Arc, die durch die Kraft des Glaubens und der Liebe ihr flammendes Ende erträgt und getragen von den Stimmen der Heiligen überwindet. Auch wenn Debussy feinsinnig instrumentiert hat und die kaum aufgeführte Kantate in ihrer wohl ersten Bühnenrealisation an­gesichts der Kraft des folgenden dramatischen Oratoriums in den Hintergrund geriet, war damit auch musikalisch ein Zyklus konstruiert – schließt Honegger doch die letzte Szene nicht mit einem akustischen Feuerzauber, sondern in fast zärtlich aufsteigenden Akkorden.

Über die beiden letzten Jahrhunderte immer wieder und auch heute noch ideolo­gisch missbraucht, stellt die die mythenumrankte Jeanne d’Arc eine zentrale Iden­tifikationsfigur für das französische Selbstbewusstsein dar: Mit ihren Visionen erlangte sie als Bauernmädchen das Vertrauen des Thronfolgers, unter ihrer glü­henden Führung wurden während des Hundertjährigen Kriegs die Engländer vor Orléans vertrieben, durch Verrat geriet sie in Gefangenschaft und endete nach ei­nem abgekarteten Hexenprozess im Alter von nur 19 Jahren auf dem Scheiterhau­fen. Ohne zeitgenössische Darstellung später vielfach bildnerisch wie auch litera­risch (Schiller, Brecht) rezipiert, ist es im Bereich der tönenden Kunst nur Honeg­gers Partitur, die sich auf einem vergleichbaren künstlerischen Niveau bewegt (Werke von Rossini, Verdi und Tschaikowsky erscheinen demgegenüber eher marginal). Denn statt einer abendfüllenden durchkomponierten Oper schuf Ho­negger in engster Verbindung mit seinem Librettisten, dem Dichter Paul Claudel, eine Komposition, die sich in keine bewährte Gattung so richtig einfügen will; die Bezeichnung als dramatisches oder szenisches Oratorium bezieht sich vor allem auf die gewichtigen Aufgaben des Chores und die Sprechrolle der Jeanne d’Arc, während szenisch vieles eher an Mittel der Grand Opera erinnert: bühnenfüllende Massenszenen und das Spiel mit verschiedenen Gruppen. In dieser Unabhängig­keit liegt auch die anhaltende Stärke des Werkes, in dem sich Honeggers originär kantiger Tonfall mit neoklassizistischem Kontrapunkt, frech gestrafften Jazz­rhythmen und alten Volksweisen verbindet.

Nicht Oper, nicht Oratorium und weit mehr als nur eine groß angelegte Bühnen­musik; Àlex Ollé nahm den von Claudel (einem gläubigen Katholiken) und dem mit pessimistischer Weltsicht belegten Honegger ausgeworfenen Faden auf und spann ihn auf seine Art weiter: Zentral der als Himmelsleiter dienende Elevator, auf dem Jeanne zu Beginn rückschauend in das Reich der Niedertracht ein­schwebte, ringsum und in immer wieder neuen Konstellationen das aufgewiegelte, halbnackte, sich tierisch gebärdende Volk und die derb geschnittenen Bestien der Inquisition. Ebenso eindrucksvoll, opulent wie apokalyptisch in der Bildersprache erschien die Szene des Kartenspiels, die zu einer ebenso faszinierenden wie erschreckend visionären Darstellung der Macht des Bösen gerann.

Für diese hochgradig expressionistischen Bilder und die eindringliche Dichte ern­tete das als geschlossenes Team inszenierende Kollektiv „La Fura dels Baus“ den ungeteilten Beifall des Premierenpublikums – sicherlich aber auch, weil es in den fast zwei Stunden ohne unmotivierte Leerstelle oder dreisten Schocker auskam. Zudem ließ das Konzept dem vorzüglich von der Regie auf der Bühne geführten und musikalisch von Tilman Michael einstudierten Chor (mit Extrachor) genü­gend Raum zur Entfaltung; auch der von Markus Ehmann betreute Kinderchor leistete Erstaunliches. Obwohl die aus Theater und Film bekannte Johanna Woka­lek in der so stark wie authentisch gespielten Rolle der Jeanne d’Arc im Zentrum der Aufführung stand, teilte sie auf sympathische und kollegiale Weise den App­laus mit allen anderen Protagonisten, darunter Sébastien Dutrieux (Bruder Domi­nique) und Elizabeth Reiter mit ihrem warm timbrierten Sopran (als Damoiselle élue). Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester zeigte sich unter der Lei­tung von Marc Soustrot bestens präpariert und in Höchstform. Ein Abend, den man nicht verpassen sollte.

  • Weitere Aufführungen am 17., 23., 24., 28. und 30. Juni sowie am 1. Juli.

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