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Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ am Theater Bremen. Foto: Jörg Landsberg.
Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ am Theater Bremen. Foto: Jörg Landsberg.
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Ein simples und ungeheures Lebensproblem, bejubelt – Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ am Theater Bremen

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Der junge Komponist verbrennt aus Verzweiflung über die Umstände der Uraufführung seiner Oper „Ariadne“ nicht nur seine Partitur, sondern steckt auch den Flügel des Proberaumes an und am Ende sich selbst. Er wird vom Mäzen gezwungen, sein Werk zusammen mit einer Commedia dell'Arte aufzuführen. Noch dazu muss das Ganze wegen eines Feuerwerks um zehn Uhr beendet sein.

Zerbinetta, Hauptdarstellerin einer Commedia dell'Arte-Truppe philosophiert über echte und künstlich erzeugte Gefühle in ihrer Rolle als recht lockere Frau zwischen vier Männern. Und die mythologische Diva Ariadne, verlassen von Theseus, lernt, unter dem Einfluss vom Gott Bacchus, seinerseits verlassen von Circe, auf ein neues Leben zuzugehen. Wie, alles zusammen? Ja, in einem der genialsten Werke über das Theater im Theater, genauer: über die Oper. Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal haben fünf Opern zusammen geschrieben, das entsprechende Konfliktpotential ist in über 600 Briefen dokumentiert.

Zudem dokumentiert die 1912 entstandene Oper nach dem „Rosenkavalier“ 1911 Strauss' Entscheidung, nach den Skandalopern „Salome“ und „Elektra“, für das Publikum schreiben zu wollen, was er lebenslang bis zu „Vier letzte Lieder“ (1945) beibehielt. Strauss’ Musik blitzt, glüht, beeindruckt mit präzisen Wortkommentaren und Zitaten zum Beispiel von Richard Wagner. Und beeindruckt vor allem mit seinen einzigartigen Kantilenen für Frauenstimmen und deren immer berührenden Sitz im Orchester. Und allein hier reißt die Aufführung unter der Leitung des neuen (Strauss-erfahrenen) Musikdirektors der Oper, Stefan Klingele, von Anfang an mit. Nadine Lehner als verweifelter Komponist zeigt dessen Kunstleidenschaft mit riesiger, aber auch in feinsten Nuancen differenzierter Stimme. Die neu engagierte Sopranistin Sarah-Jane Brandon schaffte es, ihre Ariadne nicht als eine hoffnungslos verlassene – und damit altmodische – Diva zu zelebrieren, die uns nichts mehr angeht, sondern malte das aktuelle Porträt einer tief verletzten Frau. Und die eifrige Zerbinetta, die den Komponisten und auch Ariadne kurze Zeit trösten konnte, war bei Nerita Pokvytyté traumhaft sicher aufgehoben. Doch es wäre nicht Strauss, wenn es da in Sachen Stimmen nicht noch mehr gäbe: Die tröstenden Gefährtinnen Ariadnes, Constance Jader als Dryade, Elisa Birkenheier als Najade und Maria Martin Gonzales als Echo besingen Ariadne ermutigend mit einer überirdischen Schönheit, wie wir sie aus dem berühmten Terzett des „Rosenkavalier“ kennen. Und auch der Tenor Andreas Engelhardt darf seine Verwandlung in einen Gott klangschön und immer steigernd aussingen.

Es war ein Erlebnis, wie klug und gleichzeitig direkt sinnlich der Regisseur Frank Hilbrich es verstand, die permanent ambivalenten Aussagen genauso direkt wie auch distanziert und (selbst-)ironisch miteinander zu verschränken. Schon im Vorbild entstiegen aus inzwischen drei Flügeln die Personen der Ariadne-Oper. Die verkohlten Flügel waren der Ausgang des zweiten Bildes, eben der Ariadne-Oper. Ariadne findet in den Trümmern die halb verbrannten Blätter der Oper und versucht, sie zusammenzusetzen. Und am Ende spielen alle auf zehn aufeinander getürmten Klavieren die Oper zu Füßen des verwandelten Paares Bacchus/Ariadne. Das – wiederum künstliche – mit der gleichzeitigen Wahrheit und Künstlichkeit – zeigt Strauss’ Oper genial und ebenso genial wird sie in Bremen von Hilbrich, dem Bühnenbildner Sebastian Hannack und der Kostümbildnerin Gabriele Rupprecht, und dem hoch motivierten Ensemble höchst unterhaltsam umgesetzt. Ovationen für „ein simples und ungeheures Lebensproblem“ (Hofmannsthal).

  • Die nächsten Termine: 5.2., um 18 Uhr, 14., 19. (18 Uhr)  und 24.2. um 19.30, 5.3. um 15.30, 9., 11., und 17.3. um 19.30

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