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Foto: Toni Suter, T + T Fotografie
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Eine Traumfrau von Heute – Die St. Gallener Festspiele mit Catalanis selten gespielter „Loreley“

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Eine Nixe mit Goldhaar auf dem Rheinfelsen; verführte Adelige und scheiternde Schiffer auf dem Fluss; herrschaftliche Hochzeit und Volksfest; ein Flussfürst namens Alberich – und all das übergossen mit italienischer Musik? Eigentlich geht das doch nicht mehr… doch auf St.Gallens Festspieltribüne klatschten und trampelten die 1400 Premierenbesucher begeistert.

Nicht seine einstige Magisterarbeit über den mit nur 39 Jahren an Tbc verstorbenen Alfredo Catalani war für Intendant Peter Heilker der Grund, das völlig aus dem Repertoire gefallene Werk anzusetzen. Im Festspielreigen setzt er vielmehr auf Besonderheiten und führt gleichzeitig die Linie „Entdeckungen aus dem späten 19.Jahrhundert“ fort. Doch da Catalanis „Loreley“ trotz der grundlegenden Überarbeitung und erfolgreichen zweiten Uraufführung 1890 eben auch einer starken Inszenierung bedarf, holte Heilker neben Stefan Blunier als Dirigent das Team David Alden (Regie)- Gideon Davey (Bühne) - Jon Morell (Kostüme) - Beate Vollack (Choreographie). Sie alle zusammen setzten Aldens grundlegend frischen Blick auf zentrale Inhalte um: Wo werden uns heute „Traumfrauen“ präsentiert? In der Vergnügungsindustrie und ihren Parks bis hin nach Las Vegas! Wo enden viele dieser „Traumkarrieren“? In Drogen, Prostitution und Depression – während die „Traumbilder“ und das „Image“ weiterleben! Also gibt es „Loreley“ auch heute…

So zeigt Gideon Daveys große Open-Air-Spielfläche vor der St. Gallener Kathedrale eine surreal krude Quintessenz von bürgerlicher Realität, altem Rummelplatz und aktueller „Traumfrau-Show“: Schwyzer Tannenwald am Rand, eine romantische Burg-Silhouette, Kurvengitterreste einer Achterbahn, ein Kindersitzkarussel, „Einarmige Banditen“ und andere Glückspielautomaten – und durch all das hindurch schlängeln sich die Gleise einer Geisterbahn, die in ein Teufelsmaul führt. Ebenso surreal durchdrungen tauchen schon im Vorspiel Schwyzer Beamte im uniformen Büro-Beamten-Look auf, die alles inspizieren und später bürokratisch notieren, sich aber nicht um die drei „Ex-Loreleys“ kümmern, die gescheitert und ruiniert zwischen Selbstmordgedanken und verzweifelten Erinnerungen an die Hochglanzfotos von Einst umhertaumeln. Die Haupthandlung führt dann vor, dass der adelige Walther mit Playboy-Äußerem bis hin zum Goldkettchen sich in die jugendlich kesse, bildschöne und darum „karriere-verdächtige“ Loreley verliebt hat. Als er sie dann um der standesgemäß geplanten Adelshochzeit mit der kindlich schönen Anna doch verlassen will, entschließt sie sich – ein fast ironisches Felsenteil fährt herein – zum Aufstieg auf den „Gipfel des Ruhms“.

Im zweiten Akt ist dies gelungen: die Hochzeitsfeier mit grässlich entlarvten „Volkstänzen“ bis hin zum gespenstisch „lustigen Volksfest“ sprengt Superstar Loreley – in einem engen knallroten Glamour-Kleid, dessen Zehn-Meter-Schleppe voller Pailletten und Glitter wie ein lodernder Teufelskreis ausgebreitet wird, Walther erneut in Loreleys Bann zieht, von Feder-Boas wie in den „Follies“ umflattert – und als Walther sie umarmen will, hat sich dieser Glamour-Traum (durch die Boa-verdeckte Versenkung) in „Nichts“ aufgelöst – der visuelle und inszenatorische Höhepunkt des Abends.

Der pausenlos anschließende dritte Akt zeigt Walthers Absturz: Anna ist an gebrochenem Herzen gestorben; er selbst wie auch sein Rivale Hermann ruiniert im gesellschaftlichen Abseits gelandet – in der Geisterbahn fahren Zwerg-Loreleys mit Wasserköpfen vorbei. In seiner Suche landet Walther in der miesen „Loreley-Bar“, wo acht abgetakelte Loreley-Doubles grotesk tanzen, dabei Schiffer verführen und töten. Dort taucht auch die echte Loreley auf: verbraucht, enttäuscht und gleichsam ausgesondert. In einer hochemotional komponierten und inszenierten Szene finden sich beide noch einmal in leidenschaftlicher Erinnerung. Doch die Realität lässt sich nicht ausblenden: Loreley hat sich der Welt des Glamours verschrieben, kehrt auf den Felsen zurück und Walther erhängt sich in der Achterbahn seines gescheiterten Lebens… so in den „People“-Magazinen und entsprechenden TV-Formaten bebildert nachzuvollziehen… ein Stück von Heute – bravourös in Choreographie, Kostüm, Bühne und Personenregie von den blendend singend-agierenden Chören und der St. Galler Tanzkompagnie verwirklicht.

Mehr noch: trotz der noch nicht so ganz festspielgemäßen Tontechnik konnte Stefan Blunier die musikdramatisch reizvolle Fülle von Catalanis Komposition ausbreiten. Da gibt es nach der düster drohenden Einleitung packende Liebesbekenntnisse Walthers, aufschäumende Eifersucht Hermanns, spielerische Liebe seitens der jungen Loreley und ihren hochdramatischen Ausbruch in die Welt von Glanz und Glamour. Den Kindfrau-Schwelgereien Annas und den Volkstanz-Melodien steht dann Loreleys Sprengkraft inmitten der Hochzeitsgesellschaft gegenüber: eine Szene, die an Dalia, Salome, Thais oder Carmen denken lässt. Waren bis dahin schon der liebliche Anna-Sopran von Tatjana Schneider und der kernige Hermann-Bariton von Giuseppe Altomare zu bewundern, so gehörte der dritte Akt mit seiner fulminanten Dramatik ganz dem mal anrührende „dolcezza“, mal auch männliche Tenor-Attacke verströmenden Timothy Richards und der warme Sopran-Süße, dann auch glutvolle Emphase und hochdramatische Aggression vereinenden Littauerin Ausrine Stundyte – da waren zwei überwältigende Sängerdarsteller zu erleben, die im Gesang tiefe menschliche Wahrheit leuchten ließen. Einhelliger Jubel – und die Einsicht: so realisiert, gehört Catalani ins Repertoire.

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