Dreifacher Glückwunsch an das Ensemble des Musiktheaters der Landesbühnen Sachsen. Einmal für die Entscheidung, dieses hierzulande nicht gerade sehr bekannte Werk, aufzuführen. Die 1998 in San Francisco uraufgeführte Oper in drei Akten „A Streetcar Named Desire“ von André Previn basiert auf dem gleichnamigen Drama von Tennessee Williams von 1947, bekannter unter den deutschen Titel „Endstation Sehnsucht“, nicht zuletzt wegen der Verfilmungen oder dem Ballett von John Neumeier mit der Musik von Sergej Prokofjew und Alfred Schnittke.
Das Libretto von Philip Littell für Previns erste Oper hält sich eng an die dramatische Vorlage. Die Musik von André Previn gründet sich auf Elemente des Parlandostils und setzt ihre Höhepunkte vor allem in Monologen der Hauptperson, Blanche DuBois. Ganz im Sinne dieses Dramas einsamer Menschen kommt es selten zu gemeinsam gesungenen Passagen.
Es entsteht der Eindruck, die Musikalisierung des Dramas konnte nur so überzeugend gelingen, weil der Komponist zum einen amerikanische Stile des Jazz und des großen, anspruchsvollen Musicals beherrscht, zum anderen aber in verblüffender Instrumentierung die weite Melodik Puccinis anklingen lässt und nicht zuletzt immer wieder Szenen in die Klänge bester Filmsoundästhetik regelrecht einhüllt.
Die Dramatik ist weniger auftrumpfend, eher sensibel, mitunter sehr verinnerlicht: Seelenklänge wirken sogartig, das Geschehen an dieser Endstation menschlicher Sehnsüchte, Triebe und Umtriebe lässt einen nicht los.
Die Aufführung eines so anspruchsvollen Werkes kann natürlich nur gelingen, wenn ein Ensemble zur Verfügung steht, das sich mit vollem Einsatz solchen Ansprüchen stellt.
Auch hier ist dieses Theater zu beglückwünschen. Jan Michael Horstmann am Pult der Elblandphilhamonie Sachsen erweist sich als feinsinniger Sängerbegleiter und lotet entsprechend dem Anliegen des Stückes eben genau auch in musikalischer Hinsicht die Tiefen und Untiefen der von ihnen dargestellten Menschen aus. Er lässt die Musik zart und zerbrechlich klingen und aufblühen wenn sie in Traumwelten führt, er lässt sie beängstigend und bedrohlich werden, wenn die Träume zerstört werden, Brutalitäten ausbrechen.
Aus dem wunderbaren Ensemble ragt die Sopranistin Kerrie Sheppard-Klein heraus, sie hatte diese Wahnsinnspartie schon in Koblenz gesungen und ist jetzt an den Landesbühnen kurzfristig eingesprungen. Sie hat die Töne dieser zerbrechlichlichen Seele klingen lassen und auch die Zwischentöne wenn sie nicht unterscheidet zwischen Wunschtraum und Wirklichkeit. Beeindruckend wie sie auch in der differenzierten Darstellung zwischen sich und der Wirklichkeit immer wieder sich ihr Traumland einrichtet und dabei den kleinen Traum vom alltäglichen Glück ihrer Schwester Stella mit ihrem schon mal gewalttätig ausrastenden Ehemann Stanley Kowalski immer mehr bedroht, lebt.
In der Zurückhaltung ihrer Darstellung gibt Miriam Sabba dieser Stella eine anrührende Gestalt, zart und feinsinnig ist ihr Gesang. Gesanglich kernig und rollengemäß geradlinig überzeugt Paul Gukhoe Song als Kowalski. Er zerstört das Gebäude der sie vorgeblich rettenden Lebenslügen seiner Schwägerin Blanche letztlich in einem brutalen Akt der Vergewaltigung.
In dem schüchternen Nachbarn Michell findet Blanche einen Seelenverwandten, sie fühlt sich zu ihm hingezogen, ihre Vergangenheit, seine Hilflosigkeit, geben einer Beziehung keine Chance. Da bietet der Sänger Christian Salvatore Malchow eine stark berührende Darstellung im Spiel sowie im Gesang.
Auch er kann nicht verhindern, dass Blanche auf brutale Weise die Reise an die Endstation ihres Lebens der ungestillten Sehnsüchte antreten muss, die in eine psychiatrische Klinik führt.
Und letztlich verdankt sich dieser auch vom Publikum mit großer Begeisterung angenommene Abend der Leistung des Regisseurs Sebastian Ritschel, der zugleich für die Ausstattung verantwortlich ist.
Er lässt dieses Stück auf einer Drehbühne spielen, die Enge der kleinen Wohnung der Kowalskis mit einem Durchgangszimmer für Blanche, dem so gut wie offenen Schlafzimmer der Eheleute und einem schlichten Bad, das meistens von Blanche belegt ist, spielen. Somit ist auch optisch die zum Konflikt führende gestörte Intimität der Menschen aufgehoben. Über der bescheidenen Wohnung ist in einem schmalen Streifen Raum für so phantastische wie surreale Traum- und Erinnerungsbilder; zum Zuschauerraum hin lenkt ein immer wieder von vielen kleinen Glühbirnen verklärend erleuchteter Rahmen den Blick konzentriert auf das Geschehen.
Ritschel unternimmt keine üblichen Aktualisierungen, er kann darauf vertrauen, dass kraft der Genauigkeit sensibler Personenführung das Bühnengeschehen die Assoziationsfähigkeit der Zuschauer anregt, was offensichtlich auch gelingt. Seinen Menschen an dieser Endstation nähert er sich in spürbarer Sympathie, das führt auch dazu, dass er die jeweiligen, individuellen Stärken der Protagonisten achtet und genau daraus ihre Aktionen im Spiel entwickelt.
Sebastian Ritschel wird mit Beginn der nächsten Spielzeit die Stelle des Operndirektors an den Landesbühnen übernehmen. Glückwunsch!