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Igor Levit
Igor Levit. Foto: Robbie Lawrence
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Entführung in andere Welten – Igor Levits Brahms ist in Bremen angekommen

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Das kann man heute noch verstehen, wie sehr das Uraufführungspublikum in Hannover 1859 und erst recht die Menschen im selben Jahr im konservativen Leipzig verstört waren über das erste Klavierkonzert des 25jährigen Johannes Brahms. Die lange Orchestereinleitung wuselt und tobt in tiefen Lagen geradezu spröde und zornig vor sich hin und man hat lange keine Chance, den Solisten zu hören, denn er wuselt irgendwann mit in diesen „schreiendsten Dissonanzen“ und diesem „Würgen und Wühlen“, wie ein Uraufführungskritiker schrieb. Dem Konzert wurde wie auch 22 Jahre später dem zweiten vorgeworfen, es sei kein Solokonzert, sondern eine Sinfonie mit obligatem Klavier. Nun gab es in Bremen mit der Deutschen Kammerphilharmonie unter der Leitung von Paavo Järvi und dem 1987 geborenen Ausnahmepianisten – der etwas abgedroschene Begriff muss hier verwendet werden – Igor Levit wenige Tage nach dem Auftritt in der Hamburger Elbphilharmonie drei Aufführungen, die genau das zur Tugend erhoben und auf das Genaueste ausführten. Man erwischte sich sogar bei dem Gedanken „Schade, dass man nicht mehr von ihm hört“, auch wenn dieser Wunsch am Verstehen des originellen Werkes vollkommen vorbeigeht.

Levit, der Bremen schon viele großartige Konzertstunden geschenkt hat – Beethovens fünftes Klavierkonzert, Schumanns a-Moll-Konzert, Mendelssohns Klavierkonzerte – verwandelte an drei Abenden beide Klavierkonzerte von Brahms in die tief schürfenden Geheimnisse, von denen jede große Komposition in der Wiedergabe kongenialer Interpreten lebt. Levits ganz besondere Begabung und Auffassung – ein gleichberechtigtes Miteinander mit den Musikern des Orchesters – passt mehr als perfekt zu einer Ästhetik, die sich dem Glanz des Virtuosentums so sehr verweigert. Und so gelang dem Pianisten, von dem man weiß, wie verbissen er jenseits alles rein Manuellen Musik liest und studiert, um sie zu verstehen, ein Wunder an Einfühlung, an Horchen, an Vorausnahmen, an Entwicklungen aus dem Innersten.

Es gibt bei ihm Pianostellen, die er aus einer anderen Welt zu holen schien, und Kraftattacken, die ebenfalls in andere Welten führen. Immer extrem die Transparenz, die Deutlichkeit der Artikulation, die Schönheit der Lyrik. Diese Gegensätze verleihen seinem Spiel eine unfassbare Spannung. Und seine körperliche Art, sowohl mit dem Orchester als auch mit dem Publikum zu kommunizieren, hat so gar nichts künstliches, sondern entspringt auf wunderbare Weise immer der Musik. Ebenso radikal erklang der fabelhaft entschlackte und trotzdem wilde Orchesterklang, dies ein Markenzeichen von Järvis nun schon lang erprobtem Brahms.

Die vierte Sinfonie von Robert Schumann zählt zu den Werken, die die Kammerphilharmonie schon unzählige Male gespielt hat. Mag man kritisieren, dass das Orchester bestimmte Komponisten und Werke – wie Brahms, Schumann, Haydn und vor allem Beethoven – immer wieder und wieder spielt, so profitiert man auf der anderen Seite als Hörer von der traumwandlerischen Sicherheit und Perfektion, mit der das Orchester sich trotz aller individuellen Leistungen insgesamt als ein ungemein geschmeidiges Instrument präsentiert: hier Lebensfreude pur. So darf man gespannt sein, wenn sein bereits weltweit preisgekrönter Beethoven im November 2020 zu Beethovens 250. Geburtstag in vier Konzerten mit allen Sinfonien zu hören sein wird.

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