„(Neue) Musik verbindet“, so könnte das inoffizielle Motto der diesjährigen Konzert- und Werkstattwoche Forum Neuer Musik lauten. Vom 5. bis 11. April 2010 findet sie in den Musikhochschulen in Köln und Düsseldorf sowie im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks statt. Seit elf Jahren veranstaltet der DLF dieses Festival, das die junge Generation ins Zentrum rückt: mit Komponist/-innen aus ganz Europa – mit jungen Interpreten aus Polen, den Niederlanden, aus Köln und Berlin. 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs präsentiert das Forum ein globalisiertes wie medialisiertes Europa, sieben DLF-Kompositionsaufträge werden ur- oder erstaufgeführt. nmz-Mitarbeiterin Nadine Lorenz im Gespräch mit dem DLF-Redakteur und Leiter des Forum, Frank Kämpfer.
neue musikzeitung: Warum der Titel „Amsterdam – Berlin – Warschau“? Was bedeuten diese Städte für die Neue Musik?
Frank Kämpfer: Amsterdam ist ein Ort mit großer ästhetischer Freiheit. Interessanterweise arbeiten auch viele südosteuropäische Künstler hier. Die Szene ist vielgestaltig, schillernd und sie genoss bis vor kurzem eine sehr differenzierte Förderpolitik.
In Berlin haben sich im Zuge der Wiedervereinigung Komponisten aus aller Welt angesiedelt. Der „Warschauer Herbst“ war bis 1989 Ort für wechselseitige Begegnungen zwischen Neuer Musik aus Ost und West – jetzt ist er Bindeglied zu Polens östlichen Nachbarn.
Diese drei europäischen Brennpunkte bündeln wir und wir reflektieren den politischen Wandel seit 20 Jahren, indem wir die heutige Jugend befragen und fördern.
Das sind die zwei zentralen Ideen des Forum 2010.
nmz: Wie entstand das Programm, welche Beweggründe verbergen sich hinter Werken, Urhebern und Interpreten?
Kämpfer: Der Wunsch des Ensembles INSOMNIO zum Beispiel, vor dem Konzert im DLF Studioaufnahmen zu machen. Oder die Idee, die neuen Kompositionen aus Polen und der Ukraine, die der Deutschlandfunk und der Deutsche Musikrat regelmäßig beim „Warschauer Herbst“ fördern, einmal in Deutschland aufführen zu lassen. Entscheidend ist, dass in beiden Fällen Partnerschaften ans Laufen kamen, die neue Vernetzungen brachten.
The Netherlands Music Center hat uns eine Uraufführung der jungen Estin Helena Tulve angeboten; der Deutsche Musikrat war interessiert, für das Forum sein sonst nur im Herbst aktives EWCM-Ensemble zu einer Frühjahrs-Phase ins Leben zu rufen, geprobt wird in der Robert-Schumann-Hochschule. Und der multimediale Abend mit Barbara Lüneburg und Marko Ciciliani hat zu einer neuen Kooperation mit dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe geführt.
nmz: Wer ist die „Gruppe Neue Musik Hanns Eisler“ und welche Stücke spielt sie hier im Programm?
Kämpfer: Die Eisler-Gruppe aus Leipzig war in der DDR eine Art ostdeutsches „Ensemble Modern“ – zumindest was das Aufführungsniveau zeitgenössischer Werke und die Initiierung neuen Repertoires betraf. Sie existierte von 1970 bis 1993. Uns geht es darum, das Wissen um sie weiter zu geben und sie von heute aus neu zu betrachten. Studierende der Kölner Hochschule für Musik und Tanz beschäftigen sich deshalb ein ganzes Semester mit Geschichte und Repertoire der Gruppe und spielen beim Forum im DLF dann eine Werkauswahl.
nmz: Warum der Fixpunkt „Jugend“ – was erwarten Sie sich davon?
Kämpfer: Überraschungen! Exklusive Programme! Eigene Ansichten, die bereichern! Deshalb auch die Roundtables, in denen es nicht um Belehrung geht, sondern um Erfahrungsaustausch mit einer nachfolgenden Generation.
nmz: Gibt es eigentlich eine Demarkationslinie dafür, wie Neue Musik aus Ost und West sich unterscheiden – und wie werden sie beim Forum zusammenkommen?
Kämpfer: Der entscheidende musik-ästhetische Riss durch Europa wurde nicht 1945 durch die Rote Armee, sondern 1054 bei der Kirchentrennungverursacht. Das sage ich in vollem Ernst. In den Ländern, in denen es heute noch Orthodoxie gibt, hat Musikkultur eine Substanz, die uns hier völlig fehlt. Aber das ist nicht das Thema des Forum 2010.
Uns geht es auch nicht um ein Zusammenwachsen-Müssen, wo die Prozesse zu vielschichtig sind, um schnell ineinander zu greifen. Unser Part hier ist es, den wechselseitigen Austausch zu fördern – Interesse aneinander, Verständnis und Toleranz.