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Platzkonzert in der Regensburger Altstadt mit „Le haulz et les bas“ bei den Tagen Alter Musik 2013. Foto: Juan Martin Koch
Platzkonzert in der Regensburger Altstadt mit „Le haulz et les bas“ bei den Tagen Alter Musik 2013. Foto: Juan Martin Koch
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Es ist wie am ersten Tag

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An Pfingsten feiern die Tage Alter Musik Regensburg ihren 30. Geburtstag
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Sitzt man mit den Machern der Regensburger Tage Alter Musik zusammen, verschwindet jedes Zeitgefühl. Nicht, dass Stephan Schmid und Ludwig Hartmann Nostalgiker wären, die wehmütig darauf zurückblicken, wie das vor 30 Jahren alles begann. Aber sie strahlen noch immer jene bajuwarisch-hemdsärmelige Aufbruchsstimmung aus, die das Festival seit jeher prägt und die wohl maßgeblich zu dem Eindruck beiträgt, es würde, ja es könne gar nicht altern.

Bajuwarisch-hemdsärmelig? Obacht – dass da keine Missverständnisse aufkommen: Schmid und Hartmann haben als Domspatzen mitgesungen, als Hanns-Martin Schneidt Monteverdis Marienvesper und Nikolaus Harnoncourt Bachs Matthäuspassion einspielten. Mit dieser musikalischen Sozialisation im Rücken haben sie sich im Lauf der Jahre und Jahrzehnte eine Expertise im Bereich der Alten-Musik-Szene erarbeitet, die ihnen so schnell keiner nachmacht. Und das untrügliche Gespür für neue, bahnbrechende Ensembles. Viele der ganz großen Namen waren in Regensburg, bevor sie ihren Durchbruch hatten: Il Giardino Armonico, Anonymous 4 oder – noch vor der Wende – die Akademie für Alte Musik Berlin. Nach wie vor kann man in Regensburg elektrisierende Entdeckungen machen, gerade auch mit Formationen, die bei den Tagen Alter Musik ihr Europadebüt geben.

Neben der 1999 eingerichteten, hauptamtlichen Organisationsstelle machen die beiden Gründer das Festival nach wie vor ehrenamtlich: Ludwig Hartmann, wenn die Woche Musikunterricht an einem Münchner Gymnasium um ist, und Stephan Schmid, wenn er sich nicht gerade um die Redaktion des Alte-Musik-Magazins „Toccata“ kümmert. Ihr Antrieb ist derselbe wie vor 30 Jahren: „Es tut sich so viel in der Szene, dass die Ideen nicht ausgehen“, versichert Stephan Schmid. „Im Gegenteil, die Auswahl wird immer schwieriger, weil es so viele neue Gruppen auf so hohem Niveau gibt. Wenn man das Gefühl hätte, es läuft sich tot, es ist immer dasselbe, müsste man es nicht mehr machen. Aber der Punkt ist überhaupt nicht absehbar.“

Die Rahmenbedingungen des traditionell am Pfingstwochenende in den historischen Kirchen und Sälen der Regensburger Altstadt über die Bühnen gehenden Festivals sind mittlerweile etwas weniger prekär als in den ersten zehn Jahren. In dieser Zeit machten Hartmann und Schmid nach dem letzten Konzert erst einmal Kassensturz und fingen erst dann mit der Planung fürs Folgejahr an. Nach wie vor ist aber der Etat mit rund 250.000 Euro für eine Veranstaltung mit 17 Konzerten an 4 Tagen nicht gerade üppig, der Zuschuss des Freistaates mit 10.000 Euro blamabel niedrig. Neben den Kartenerlösen (die Auslastung liegt bei weit über 90 Prozent) kommt das Geld hauptsächlich von der Stadt und von der Sparkasse, hinzu kommen die Einnahmen aus Rundfunkübertragungen (BR und Deutschlandradio), die eine entscheidende Multiplikatorenfunktion einnehmen.

Zum 30. Geburtstag „leisten“ sich die Tage Alter Musik mit dem tschechischen Collegium 1704 (Bachs h-Moll-Messe), Hervé Niquets „Concert Spirituel“ (Purcell-Oden) und Fabio Bonizzonis „La Risonanza“ gleich drei groß besetzte Ensembles. Letztere führen im historischen Theater am Bismarckplatz Purcells „Dido and Aeneas“ auf, womit auf Initiative des Intendanten erstmals eine Zusammenarbeit mit dem Stadttheater zustande kommt.
So ganz ist die Zeit also doch nicht stehen geblieben, aber wenn man das Gefühl trotzdem noch einmal anspricht, macht Ludwig Hartmann noch einen Erklärungsversuch: „Vielleicht hängt es damit zusammen, dass man es um der Sache willen macht. Sonst gibt es keinen Grund, keine finanzielle Abhängigkeit, keine Profilierungssucht. Es funktioniert eigentlich wie am ersten Tag.“ Und man beginnt zu verstehen.

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