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Etwas mehr Licht dürfte es schon sein

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Eine Leipziger Tagung zu „Komposition in der DDR – Theorie und Praxis“
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Seltsame Koinzidenz. Kurz vor Tagungsstart wurde der 1951 nach sow- jetischem Vorbild gegründete DDR-Komponistenverband aus dem Vereinsregister gestrichen. So lange kann es dauern. Und doch herrschte reger Andrang. Nicht wenige erwarteten offenbar, mit neuen Enthüllungen konfrontiert zu werden. Die Themen der viertägigen Intensivsitzung „Komposition in der DDR – Theorie und Praxis“ waren danach. Von den „Kontroll-instanzen“ über den „Bitterfelder Weg“ und den Ikonen „Sozialistischer Realismus“ und „Widerspiegelungs­theorie“ bis zum „Avantgarde-Diskurs“ war alles vertreten, wurde alles angetippt. Jedes Themenfeld eine kritische Masse für sich. Die Entscheidung des Veranstalters, den Fächer ganz weit aufzumachen, führte indes kaum übers Kratzen an Oberflächen hinaus.

Dabei war es ein schöner Kunstgriff der Institutsleitung Musikwissen­schaft der Universität Leipzig, einmal nicht auf die obligate Technik des Ermüdungsreferats zu setzen. Was versucht wurde war, auf dem Podium selbst Diskurs, Dialog herbeizuführen, indem die Zeitzeugen – Komponisten, Musikologen, Dirigenten – sich mit den Fragen, den Impulsreferaten einer jungen Generation von Musikwissenschaftlern konfrontiert sahen. Eine Intention, die immer dann gelang, wenn das Gegenüber selbst von der Notwendigkeit überzeugt war, zurückliegendes Handeln und Verhalten (oder eben Nicht-Handeln, Nicht-Vehalten) ebenso wie die dahinter stehende Haltung offen zu legen. Daran haperte es oft. 

Zu spüren war: Alte Verhaltensmuster, eine Mischung aus Überblenden, Verbreiten von Halbwahrheiten, aus gespielter oder wirklicher Naivität, aus Sturheit, Rechthaberei wie aus dem Gefühl der Kränkung wirken fort. So war der Reiz, Personen der Zeitgeschichte wie Siegfried Matthus, Jörg Herchet, Paul-Heinz Dittrich, Walter Thomas Heyn, Thomas Hertel, Gerd Rienäcker, Frank Schneider und auch Chordirigenten aus der zweiten Reihe wie Claus Haacke aufs Podium zu bitten, mit Risiken, mit Nebenwirkungen verbunden. Nicht selten geriet das Wissenschafts-Podium zur Bühne von Rechtfertigung. Ins schillernde Grau von Täter- und Opferstatus, von berechnender Selbststilisierung fiel noch zu wenig Licht. Auch wenn ein Anfang gemacht ist – vier Jahrzehnte DDR-Musikgeschichte zu erinnern und durchzuarbeiten bleibt auf der Agenda. 

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