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Sally du Randt. Foto: A.T. Schaefer
Sally du Randt. Foto: A.T. Schaefer
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Fall-Analyse eines Krankheitsbildes – Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ in Augsburg

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„Um was Gutes zu erwischen, hilft nur Eins: Im Trüben fischen“ singt die korrupte Polizei im Werk von 1934. Stalin reagierte 1935 darauf: er ging in der Pause. Kurz darauf erschien in der „Prawda“ der berüchtigte Artikel „Chaos statt Musik“ – was folgte, ist ein besonderes Kapitel von „Politik und Oper“. Doch obiger Satz und viele andere Inhalte lassen Schostakowitschs Musikdrama leider auch sehr „heutig“ erscheinen.

So weht im Theater Augsburg statt des Vorhangs eine dünne Brecht-Gardine, die Guido Petzold zunächst dramaturgisch passend in der Farbe der jeweils szenisch dominierenden Figur beleuchtet und im Schwarz-Grau der sibirischen Verbannung enden lässt. Dieses Brechtsche „Glotzt nicht so (opern-) romantisch“ kennzeichnet dann Peter Konwitschnys Sicht auf den „Fall Katerina Ismailowa“: kein sexuell gepfeffertes Ehedrama aus der russischen Provinz, sondern eine leidenschaftliche junge Frau als Opfer roher bis gewalttätiger Männerstrukturen, gegen die sie sich nur durch Mord, Totschlag und Selbstmord wehren kann. Für diesen gesellschaftspolitischen Krankheitsfall hat sich Konwitschny vom Ausstatter-Duo Timo Dentler und Okarina Peter einen bühnengroßen, klinisch weißen Kachelraum bauen lassen, der auch an einen Schlachtraum denken lässt.

Farben

In dieses zur „Fall-Analyse“ geeignete Ambiente fährt ein parallel zum Bühnenrand verlaufendes Transportband dann mal ein Bett oder einen Tisch oder den Kellereinstieg herein und heraus. Darauf stehen auch die jeweiligen Protagonisten zu ihrem Auftritt, dann mal der Chor als unterwürfige Angestellte, als hämische Nachbarn oder alkoholisierte Hochzeitsgäste oder aufmarschierende Polizeitruppe – jeweils in fein abgestuftem Grau, aber dennoch fast uniform kostümiert. Dazu kontrastieren: Katerina im sonnengelben Satinkleid und ebensolcher Unterwäsche; Schwiegervater Boris in flammendem Rot; Ehemann Sinowi in unmännlich leuchtendem Maigrün; Liebhaber Sergej in kräftigem Marineblau. Diese Charakteristik vertieft Konwitschny noch durch vier ebenso gekleidete Kinder, die in den Zwischenspielen oder kleinen surrealen Zusatzszenen vom Innenleben, von Träumen und Hoffnungen der Erwachsenen erzählen – am anrührendsten, als Katerina mit sich als Mädchen und einem Luftballon spielt, der nach allerlei Schabernack hoffnungsvoll in den Himmel steigt – und dann kruder Alltag folgt. Ganz hart realistisch lässt Konwitschny deftigen Sex, Rattengift im Pilzgericht des Schwiegervaters, Mord am eifersüchtigen Ehemann, beginnendes Desinteresse des Liebhabers, Betrug auf dem Verbannungsmarsch, Mord und erkennbar Selbstmord Katerinas vorführen. So bannend – durch die neue deutsche Übersetzung von Morgener-Schoenbohm – auch scharf konturiert war das Opfer Katerina in einer männlich dominierten Gesellschaft selten zu erleben.

Sally du Randts „Katerina“: überragend

Das war einer gut differenzierten Chorleistung (Einstudierung Katsiaryna Ihnatsyeva) und einem guten Solistenensemble zu danken, in dem nur der Sergej von Mathias Schulz zu wenig brachial wirkte. Sie alle überragte Sally du Randts Katerina: mit reizvoller Bühnenerscheinung, vehementem Körpereinsatz und einem nicht durch frühe Überforderung, sondern jetzt gereift kraftvollem Sopran, der eben die Ausbrüche, dann aber auch das zarte Bitten und die flehende Klage Klang werden lassen kann – Brava!

Der neue GMD des Hauses Domonkos Héja brachte mit den engagiert und konzentriert aufspielenden Augsburger Philharmonikern die weichen Melodien Katerinas zum Blühen; auch die grellen Ausbrüche, die bedrohlich fahlen Klänge gelangen, gipfelnd in der deftigen Beischlaf-Szene, wozu noch dreizehn Blechbläser im Publikum aufmarschierten und lostosten. Wenn der ganze erste Teil der einhellig umjubelten Aufführung vom Héja noch schärfer und schneller dirigiert wird, dann gelingt etwas Seltenes: eine sich bis zum bitteren Ende hin stetig steigernde Entlarvung eines noch immer nicht geheilten Krankheitszustandes unserer Weltgesellschaft – in einem wuchtigen Klassiker von 1934!

Augsburgs Alleinstellungsmerkmal in der Kulturwelt

Nichts also von der Thomas Bernhardschen Drohung mit der Provinz: „Morgen: Augsburg!“. Nichts vom überholten Slogan „Das Schönste an Augsburg ist der Zug nach München“. Inmitten des zunehmend kleinkarierten Streits um die grundlegende und daher teuere Sanierung des ganzen Theaterkomplexes in Augsburg ist der genervt scheidenden Intendantin Juliane Votteler wieder ein Scoop gelungen: Peter Konwitschny hat nicht nur „weiterverkauft“, sondern erkennbar geprobt und geschärft; das Haus hat eine Aufführung von singulärer Qualität – und eine Stadt mit knapp 300.000 Einwohnern bestätigt ein deutsches Alleinstellungsmerkmal in der Kulturwelt.

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