Wie in Bremen, so stand auch am Freiburger Theater zur Spielzeiteröffnung Leoš Janáčeks Oper „Das schlaue Füchslein“ auf dem Programm, hier allerdings als Uraufführung der von GMD Fabrice Bollon angefertigten Fassung für ein lediglich 12-köpfiges Orchester. Georg Rudiger berichtet.
Es gibt einen Dachs, einen Hund, eine Grille, eine Heuschrecke, eine Mücke, eine Eule, mehrere Hennen, einen Frosch, einen Specht und einen Eichelhäher in Leos Janačéks Oper „Das schlaue Füchslein“ aus dem Jahr 1924 – und natürlich ein Fuchspaar, das nach einer Liebesnacht Nachwuchs bekommt. Am Freiburger Theater sind zum Spielzeitstart in der Inszenierung von Kateryna Sokolova nur ein Paar Hasenohren und zwei Hirschgeweihe zu sehen. Statt der Trennung in eine Mensch- und Tierwelt, die für die Konzeption der nach Comiczeichnungen entstandenen Oper wichtig ist, arbeitet die junge Opernregisseurin mit dem Kino als Sehnsuchtsort. Inspiriert von dem autobiographisch gefärbten Film Federico Fellinis Film „8 1/2“ aus dem Jahr 1963, in dem ein gealterter Regisseur in einem Kurort Inspiration sucht und sich dort in Tagträume flüchtet, sieht Sokolova den Förster in dieser Rolle.
Die markante Hornbrille von Marcello Mastroianni trägt auch Michael Borth (Kostüme: Constanza Meza-Lopehandia). Dieser Mann im Anzug erinnert sich an seine Kindheit, als er mit seiner Kamera im Wald unterwegs war. Dann setzt er sich an seine Schreibmaschine und tippt das Drehbuch für seinen neuen Film – die Rhythmen der Tasten passen genau zu denen aus dem Orchestergraben, wo das Philharmonische Orchester Freiburg in 12-köpfiger Besetzung die neu geschriebene Orchesterfassung von Generalmusikdirektor Fabrice Bollon unter seiner Leitung zur Uraufführung bringt.
Die Füchsin Schlaukopf im rosa Petticoat-Kleid fängt der Förster nicht mit Gewalt, sondern er lockt die schlackenlos singende Samantha Gaul mit dem Drehbuch und fesselt sie mit einem Filmstreifen. Die Hennen (Margarete Nüsslein/Jelena Milovic) sind echt Glamour-Chicks, ein Filmplakat verspricht der Füchsin schon den kommenden Ruhm. Ganz am Ende kommt, wenn die Füchsin vom Wilderer Haraschta (mit virilem Bariton: Juan Oroczo) erschossen ist, Sokolova zur Ausgangsszene zurück. Wieder wird Nikolaus Weberns Waldbühne für den Dreh eingeleuchtet, wieder stößt der Förster auf eine neue Füchsin beziehungsweise in dieser Inszenierung der Regisseur auf ein neues Mädchen, das er groß herausbringen möchte und das ihm Inspiration und neue Energie schenkt. Die Geschichte kann von vorne beginnen.
Im Großen funktioniert Sokolovas Filmmetapher gut. Die klare Trennung der Ebenen zwischen der öden Menschen- und der freien, faszinierenden Tierwelt, die Janáček durch lange, „Verwandlung“ genannte Orchesterzwischenspiele ankündigt, berücksichtigt die Regie nicht. Die Drehbühne wird zwar immer wieder aktiviert, um die Schauplätze zu wechseln, aber dabei verliert sich auch der rote Faden. „Ist es Märchen oder Wirklichkeit?“, fragt der Förster am Ende – in Freiburg verwischen die Grenzen, was der Oper eine wichtige Dimension nimmt.
Die kammermusikalische Orchesterfassung hat der scheidende Generalmusikdirektor Fabrice Bollon wegen drohender Coronabeschränkungen angefertigt. Warum man am Theater Freiburg jetzt, da die normale Orchesterfassung möglich wäre, auf dieses Destillat zurückgreift, erschließt sich bei der Premiere nicht ganz. Zwar gelingt es Bollon, den Kern von Janáčeks feingliedriger Musik einzufangen, aber man vermisst zuweilen die dynamische Bandbreite und auch die orchestrale Kraft. Den einfach besetzten Streichern fehlt es in den offen liegenden, hohen Passagen an Wärme – auch die Intonation ist immer wieder eingetrübt. Durch die kammermusikalische Intimität (Holzbläser!) können sich die Gesangssolisten aber auch ganz frei entfalten.
Michael Borths Förster hat Eleganz und Melancholie. Samantha Gaul ist eine glockenhelle Füchsin Schlaukopf, die im Liebesduett mit dem Fuchs Goldrücken (mit dunkel leuchtendem Sopran: Irina Jae Eun Park) noch an Wärme in der Stimme gewinnt. Jin Seok Lee verleiht Dachs und Pfarrer vor allem in der Mittellage Erdung und Wucht, Junbum Lee ist ein hell timbrierter Schulmeister (und Mücke). Ganz reizend der tanzende Kinderchor (Leitung: Thomas Schmieger) im bürgerlichen Fuchswohnzimmer. Auch Füchse werden Spießer. Aber das Leben geht weiter.