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Markus Hechtle. Foto: K. Herkommer
Markus Hechtle. Foto: K. Herkommer
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Fenster, weit offen

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Markus Hechtles „Fenster zur See“ uraufgeführt
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„Spätnachmittag, das kleine Zimmer im Halbdunkel. Still sitzend, der Blick dem Fenster zugewandt, dessen weit geöffnete Flügel den Horizont begrenzen. Still sitzen und schauen, die See und das Fenster zur See.“

Markus Hechtle ist eine vielschichtige Komponistenpersönlichkeit. Mit ausgebreiteten Armen, lachend, erklärt er einer Schülergruppe rhythmische Feinheiten seines Orchesterstückes. Gleich darauf deutet er – in sich gekehrt und alle Aufmerksamkeit auf sich gerichtet – Emotionen und Klangbilder des Werkes. „Musik-Vermittlung“ – der Begriff ist gerade im Zusammenhang mit zeitgenössischen Kompositionen in die Diskussion geraten. Darf die „Autarkie des Kunstwerkes“ durch verbale Erläuterungen „gestört“ werden? Eine müßige Frage, wenn man erlebt, wie intensiv junge Menschen, die bald als Interpreten des Stückes auftreten werden, auf die Botschaften des Komponisten reagieren.

„Face to face“ hieß ein Orchesterprojekt mit Jugendlichen der Grünstädter AG Neue Musik in Kooperation mit dem Musikgymnasium Montabaur und der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken/Kaiserslautern. Profis trafen auf Schüler. Zwei Uraufführungen ganz unterschiedlichen Zuschnitts galt es zu stemmen. Moritz Eggerts schrillbunte Revue „Das ganz normale Leben“  (siehe oben stehende Kritik) kontrastierte Markus Hechtles feinfühlige, anrührende Orchester-Piece knallhart. Die Stimmung in der Aula des Neunkirchner Gymnasiums wandelte sich abrupt von munterem Spektakel-Getümmel in fast andächtige Stille.

Hechtles Stück ist sparsam orchestriert: nur Streichergruppe, zwei Blech- und zwei Holzbläser und die von Schülern exakt eingesetzten Claves und Schlaginstrumente schaffen eine teils meditative, teils aufwühlende Klangwelt. Wind, Möwenschreie, splitternde Muscheln beim Gang über den Wattsand – Assoziationen, die auftauchten ohne in irgendeiner Form klangmalerisch befördert zu sein. Mit geschlossenen Augen durchs „Fenster zur See“ schauen, umrahmte Weite, Platz für eigene Bilder und das Gefühl, sich auf dem Orchesterklang treiben lassen zu können, als Treibholz, um als Treibholz-Sammler glücklich zu landen.

Trotz nicht gerade optimaler Probe-Bedingungen eine wirklich feine Leistung des gemischten Ensembles. Silke Egeler-Wittmann hat mit ihren Schülerinnen und Schülern präzise Vorarbeit geleistet. Dirigent Roland Böer verband die Kaiserslauterner Profis mit den Gymnasial-Interpreten zu einem sensibel atmenden, ausdrucksstarken Klangkörper. Markus Hechtles „Fenster zur See“ verdient die Aufnahme ins Orchester-Repertoire – nicht nur für Jugendorchester.

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