Das hätte 1956 niemand zu hoffen gewagt, dass die im Januar nun zum 60. Mal stattfindende Mozartwoche einmal spannender, künstlerisch herausfordernder und innovativer werden würde, als ihre ältere und bekanntere Schwester, die Festspiele im Sommer. Es ist jedoch symptomatisch für das unspektakuläre Auftreten der Internationalen Stiftung Mozarteum, dass eben dieses Jubiläum nicht an die große Presseglocke gehängt wird.
Zum dritten Mal verantwortet Marc Minkowski die künstlerische Programmgestaltung und es ist ihm ein Anliegen, im Winter jeweils auch eine szenische Produktion zu realisieren. Nach „Lucio Silla“ (2013) und „Orfeo ed Euridice“ (2014) steht im Jubiläumsjahr Mozarts Kantate „Davide penitente“ auf dem Programm. Dieses 1785 für ein Benefizkonzert des Witwen- und Waisenfonds der Wiener Tonkünstlergesellschaft geschaffene Werk, das größtenteils auf der c-Moll-Messe KV 427 basiert, erlebt im Rahmen der Mozartwoche 2015 seine Salzburger Erstaufführung. Die szenische Gestaltung hat Minkowski dabei dem französischen „Pferde-Choreographen“ Bartabas überlassen. Salzburg und die Pferde teilen eine lange gemeinsame Geschichte, wovon nicht nur die barocke Pferdeschwemme beim Großen Festspielhaus zeugt, sondern auch der Ort der Aufführung selbst, die Felsenreitschule. Diese wurde 1693 unter Erzbischof Johann Ernst von Thun nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach errichtet. Das Publikum fand in den 96 Arkaden Platz, die dreigeschossig übereinander angelegt sind.
In eben diese Arkaden hat Minkowski den Salzburger Bachchor, die Musiker von Les Musiciens du Louvre Grenoble und die Solisten Christiane Karg (Sopran), Marianne Crebassa (Mezzosopran) und Stanislas de Barbeyrac (Tenor) postiert. Die Akustik ist überraschend gut, sodass die Bühne den Pferden der „Académie équestre de Versailles“ vorbehalten bleibt. Bereits vor Beginn der Aufführung erlebt das Publikum die Pferde auf der Bühne, die während der gut 70 Minuten präsent und immer zu sehen sind. Da „Davide penitente“ lediglich 45 Minuten dauert, gelangen zwei weitere Mozartwerke zur Aufführung, Adagio und Fuge KV546 – zwei kurze, strenge und grandiose Sätze, die als Einleitung dienen, und die „Maurerische Trauermusik“ KV 477, die Minkowski ausgesucht hat, „weil sie ziemlich düster ist, was dem Ort und dem Geschmack von Bartabas für eine etwas meditative Musik entspricht.“
Bartabas, der von sich sagt, dass er die inszenierte Oper nicht mag, ist stark beeinflusst vom Wirken Maurice Béjarts und Pina Bauschs, und so nimmt es nicht wunder, dass die zwölf Pferde, es sind cremefarbene Lusitanos und argentinische Criollos, auch musikalisch-tänzerisch eingebunden sind. Den Solisten Sopran, Mezzo und Tenor entsprechen zwei Reiterinnen und ein Reiter auf den Schimmeln, während der Chor durch Reiterinnen im Amazonendress repräsentiert werden, die in der Steigerung des künstlerischen Ausdrucks diesen sogar sängerisch unterstützen. Bartabas selbst hat sich die „Maurerische Trauermusik“ für ein in die Stille führendes Solo gewählt.
Bestens unterstützt wird dieses Pferdeballett von Chor und Orchester, die Minkowski, wie auch die Solisten, überzeugend zu führen versteht. Dieser Abend war eine Überraschung, der das Publikum entführte in eine Welt, die untergegangen schien. Minkowski und Bartabas ist großes Theater gelungen, das Appetit auf weitere Kavaliers-Abenteuer macht. Weiterer Höhepunkt der diesjährigen Mozartwoche war eine konzertante Aufführung von Schuberts Oper „Alfonso und Estrella“; das Mozarteumorchester wurde von dem vielversprechenden Antonello Manacorda geleitet. Daneben interpretierten sieben verschiedene Dirigenten sämtliche Symphonien von Franz Schubert. Die Mozartwoche 2016 (22. bis 31. Januar) bietet unter anderem drei Manifestationen von „Acis und Galatea“ und zeigt, wie sich Mozart, Händel und Mendelssohn Bartholdy mit dem Stoff auseinandergesetzt haben.