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Festliches wohltemperiert

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Zu den „Sommerlichen Musiktagen Hitzacker“
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Ein gewichtiger Anziehungspunkt ist in jedem Jahr das Erscheinen eines zeitgenössischen Komponisten, der als „Composer in residence“ dem Vortrag eigener Kammermusikwerke beiwohnt. Dieses Mal rückt der unlängst 75 Jahre alt gewordene Professor Giselher Klebe in die Reihe der Auserwählten.

In seine „Drei Lieder nach Texten von Friedrich Hölderlin op. 74“, von der Sopranistin Eiko Morikawa und Eckart Sellheim am Klavier interpretiert, mündeten neben modernen Linien auch feingebundene harmonische Bögen in die seherische Sprache Hölderlins, gaben seiner Lyrik eine neue Dimension. Reizvoll gebärdete sich Klebes „Veränderung op. 95“ der Beethovensonate 27/2, der Mondscheinsonate, in eine Sonate für Horn und Klavier, die, in ein neues, gewinnendes Kleid gegossen, nun Jens Plücker und Friedemann Rieger mal in geschmeidigem Legatobogen, mal stufenschön interpretierten. Starken Eindruck hinterließen auch Klebes „Vier Inventionen op. 26 für Klavier“, von Eckart Sellheim mit hinhorchendem Verständnis und ruhigem Atem in Bewegung gesetzt.

Das übrige Hitzackerprogramm bot noch eine Reihe von Höhepunkten: Den Kammermusikcharakter des Fes-tivals sprengend, gab das Alsfelder Vokalensemble im Verein mit der Kammersinfonie Bremen unter der Leitung von Wolfgang Helbig mit der Aufführung des Mendelssohn-Oratoriums „Paulus“ eine vorzügliche Visitenkarte ab. Die Vermählung des Wortes mit dem Ton gelang in vollendeter Weise. Sie setzte bewegende Akzente, wenn der stimmbildnerisch hervorragend geschulte Chor wegen der Tiefe der Bühne auch Mühe hatte, sich gegen das Orchester tonlich durchzusetzen.

Einer außergewöhnlichen Kunst liehen die Festivalbesucher ihr Ohr, als das international angesehene „new art saxophon quartet“ musikalische Tafelfreuden servierte. Was es in der einvernehmlichen Viererrede darbot, war nicht nur von dynamischer Eleganz und klanglichem Ebenmaß erfüllt, sondern zeigte an, dass das Konzertsaxophon auch in der Quartettbesetzung Träger einer fabelhaften Musik sein kann, wenn wahre Virtuosen auf dem Podium stehen.

Unter dem Titel „Bacherfahrungen“ stellte Hitzacker am 250. Todestag Bachs seine Hommage an den großen Barockmeister. Nachmittags schon erfreute die Begegnung mit Konrad Hüntelers gestaltungssicherer Flötenkunst, als er die Partita a-Moll für Flöte solo brillant vorstellte. Am Abend sollte das Tripelkonzert a-Moll den festlichen Reigen eröffnen. Das gelang nicht ohne Reibungen. Der Münsteraner Hünteler, die Geigerin Ulrike Anima Mathé, der Cembalist Alfred Gross und das litauische Kammerorchester Vilnius unter der Leitung von Georg Mais fanden schließlich – erfolgsverwöhnt – den Weg zum angestrebten Einklang.

In der Bachkantate „Non sa che sia dolore“, BWV 209, meldeten die Sopranistin Simone Nold, der münsterische Flötist und das vorgenannte Orchester ihre Kompetenz an. Der feintimbrierte, leuchtende Sopran und die reich geschmückten Läufe der Flöte gaben Bachs Musik den Glanz barocker Vielstimmigkeit. Das Konzert d-Moll für zwei Violinen und Streicher mit Nora Chastain, Marco Rizzi und dem litauischen Orchester geriet zum einem „wohltemperierten“ Festgeschenk an Bach.

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