Er zählt zu den umtriebigsten Komponisten der Gegenwart, wobei der 1947 in Palermo geborene Salvatore Sciarrino in seiner Heimat eher selten gespielt wird. Überhaupt gibt es in Italien keine wirkliche Lobby für Neue Musik, sodass man, um italienische Gegenwarts-töne zu hören, vorzugsweise zu den einschlägigen Festivals in Donau-eschingen, Witten, Zürich oder Wien fährt. Oft lohnt auch eine Reise in die deutsche Opernprovinz, wo man sich besonders gern den musiktheatralen Tüfteleien Sciarrinos widmet. In den letzten Jahren boten die Schwetzinger Festspiele Sciarrino ein Forum, im Juli wird es in Mannheim ein neues Musiktheater von ihm geben, doch am Wochenende brachte man am gerade frisch renovierten Wuppertaler Opernhaus den Siebzigminüter „La porta della legge” heraus – als Auftragsarbeit.
Salvatore Sciarrino wirkt hier erneut als sein eigener Librettist und hat Franz Kafkas kurzen Text „Vor dem Gesetz“ aus dem „Prozess“ in ebenso präzise wie spannungsvolle Dialoge gesetzt. Ein Mann versucht vergeblich, über eine Schwelle zu treten, ein Türhüter steht davor. Mal verweigert er den Zutritt, mal erlaubt er ihn, verweist jedoch auf dahinterliegende weitere Türen samt Wärtern. Gleichsam komprimiert, im Schnelldurchlauf, wird der ganze Lebenskampf des Zögernden erzählt, bis er am Ende – dem Tode nahe – erfährt, dass die Tür eigentlich nur für ihn bestimmt war.
Sciarrino fängt die Stimmung Kafkas durch ein irrlichternd-flackerndes, musikalisches Gespinst ein. Oft grummelt ein Klangblech als eine Art Basso continuo, konterkariert von hektischen Glissandi mit plötzlichen Aus- und Abbrüchen, geräuschhaftem Atmen, rau-verzerrten Flötentönen und nervös zuckenden Gesangsbögen. Dreißig Minuten lang kämpfen der eintrittsheischende Mann und sein Türhüter in minimalistischen Gesten und ebensolchem Melos, dann wiederholt sich das Geschehen mit leicht veränderten Nuancen, ein Countertenor übernimmt jetzt die Rolle des Suchenden. Im kurzen Schlussbild verbinden sich die Stimmen der drei Protagonisten zu einem zarten, aussichtslosen Trauergesang.
Sehr konzentriert und expressiv interpretiert das Wuppertaler Sinfonieorchester unter Hilary Griffiths die Partitur, exzellent singen Ekkehard Abele sowie der Countertenor Gerson Sales den Verzweifelten, phänomenal ist Michael Tews als Türhüter.
Regisseur Johannes Weigand und sein Ausstatter Jürgen Lier kreieren einen hochästhetischen Bühnenraum, der mit sanft veränderten Tüchern, wechselnden Lichtstimmungen sowie der stark reduzierten Personenführung für immense Intensität sorgt. Am Ende jedoch sollen diverse schattenhaft projizierte Figuren etwas zu platt die vielseitig interpretierbare Fabel ins Hier und Heute holen, nach dem Motto: Wir alle sind gemeint.