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David Helbocks „Random Control“. Foto: Ssirus S. Pakzad
David Helbocks „Random Control“. Foto: Ssirus S. Pakzad
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Fliegende Wechsel – David Helbocks „Random Control“ beim BMW Welt Jazz Award

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Auf der Bühne im Doppelkegel der BMW Welt sah es aus, als hätte eine Musikalien-Handlung den Klangerzeuger-Bestand zur Inventur aufgereiht. Gongs, Flügel, Spielzeugklavier, Kinder-Tröten, Fuß- und Knieschellen, Alphorn, Sousaphon, Euphonium, Trompete, Taschentrompete, Flügelhorn, Ziegenhorn, Quer-Flöte, Bassklarinette, Tenor- und Sopran-Saxofon warteten auf ihren Einsatz. Gespielt wurden all diese Instrumente dann von drei Männern aus Vorarlberg, die zwischen Zufall und Kontrolle vermittelten: David Helbocks „Random Control“.

Warum immer nur die musikalische, handwerkliche, künstlerische Leistung bewerten? Bei „Random Control“, einem mehr als flotten Dreier aus der österreichischen Provinz, muss auch der sportliche Aspekt mit hinein ins Urteil. Das Konzert des Trios glich einem Hindernis-Parcours. Wird etwa Blechbläser Johannes Bär die nächste Hürde nehmen und es schaffen, innerhalb eines Taktes fliegend vom Sousaphon zur Trompete zu wechseln? Der lange Kerl verbrennt Unmengen an Kalorien, während er von Mundstück zu Mundstück hetzt, sich aus einem Gurt befreit, um in den nächsten zu schlüpfen. Dann nimmt er in Sekundenschnelle auch noch ein Alphorn auseinander und funktioniert es zum Didgeridoo um. Wäre nicht eine Bewerbung bei „Wetten, dass...?“ fällig? Besser nicht. Schaut ja keiner mehr.

Diese ungeheure Geschäftigkeit auf der Bühne könnte einem schnell auf die Nerven gehen, wenn nicht soviel Musik dabei heraus käme. Denn Holzbläser Andreas Broger, „Tin Man“ Johannes Bär und Tastenmann David Helbock täuschen durch den munteren Einsatz der vielen Instrumente eine orchestrale Dichte vor, die man sich einmal vor Ohren führen muss. Erstaunlich ist, dass die dicht arrangierten Instrumentalstimmen nicht vor der Komplexität der Stücke und der damit verbundenen Herausforderung kapitulieren, dass die nötige Kontrolle nichts ausbremst. Nein, hier wird dem Zufall eine Chance gelassen, wird mit Herzenslust und Verve musiziert, dass man als Zuhörer einfach nur mitgerissen wird und den Dreien einige kurze, manchmal etwas alberne Gimmicks verzeiht, die doch sehr an Kindergeburtstag erinnern.

Für das aktuelle Programm hat sich Mastermind David Helbock mit Material zweier Käuze des Musik-Betriebs beschäftigt: des Pianisten und Komponisten Thelonious Monk (1917–1982), der uns zeigte, wie elegant und lebendig Sperrigkeit sein kann und des heute 77-jährigen brasilianischen Tausendsassas und Multi-Instrumentalisten Hermeto Pascoal. Nun besteht Helbocks Kunst darin, der originellen Musik dieser beiden Männer eine andere Ebene einzuziehen – sie aus einer spannenden Perspektive zu betrachten und dann mit Witz und Charme umzubauen, ohne je das Ursprüngliche zu vernachlässigen. Manchmal blieb der Pianist mit seinen beiden Mitstreitern auch ganz nahe beim Original, etwa in Monks „Round Midnight“, wo er einem nur mittels wohliger Stimmführung ans Herz ging. Stücke wie dieses waren auch als Durchschnaufpausen geeignet – denn der größte Teil des Programms nahm die Konzentration aller im Saal doch schon sehr in Anspruch.

„Random Control“ war die letzte von sechs Bands, die auf einen Einzug ins Finale des BMW Welt Jazz Awards hoffen darf. In Kürze werden die beiden Gruppen bekannt gegeben, die sich am 3. Mai im Auditorium der BMW Welt um den Pokal und ein stattliches Preisgeld bemühen müssen.   

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