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Michael Rotschopf (Arthur), Meike Droste (Emmeline), Hans-Michael Rehberg (Merlin) und Ferdinand Kraemer (Kleiner Arthur). Foto: Ruth Walz
Michael Rotschopf (Arthur), Meike Droste (Emmeline), Hans-Michael Rehberg (Merlin) und Ferdinand Kraemer (Kleiner Arthur). Foto: Ruth Walz
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Flugzeugbomberwrack als Wodanseiche – Henry Purcells Semi-Opera „King Arthur“ an der Staatsoper Berlin

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Eine die Mittel des barocken Theater mit heutiger Videotechnik perfektionierende Bühnenpräsentation zweier Regisseure, die für die Kombination von Schauspiel- und Opernelementen dieser Semi-Opera verantwortlich zeichnen und die nunmehr 24. Staatsoperneinstudierung des Barock-Spezialisten René Jacobs, – wie kommt es, dass das 40 Musiknummern umfassende, an der Berliner Staatsoper um 30 weitere Nummern aufgepeppte Meisterwerk Henry Purcells in seiner Wirkung verpufft?

Am selben Haus hatte vor drei Jahren Claus Guth bewiesen, dass in den späten Werken des jung verstorbenen Purcell noch enorme Sprengkraft steckt. Gemeinsam mit dem Komponisten Helmut Oehring hatte er die Barockoper übermalt und mit heutigen Texten collagiert und so ein auf doppeltem Boden tiefschürfendes heutiges Psychogramm geschaffen, das Publikum gleichermaßen verstörte und begeisterte.

Ähnliches schwebte wohl auch den Verantwortlichen der jüngsten Neuinszenierung für die 1691 in London uraufgeführte Semi-Oper „King Arthur“ vor. Die erzählte vorgeschichtliche Zeit wird durch eine Parallelhandlung an die Gegenwart herangerückt, der Konflikt des legendären König Artus mit seinem Widersacher Oswald, der Kampf der germanischen Angelsachsen gegen die Briten, das Wirken der Zauberer Merlin und Osmond sowie des Luftgeistes Philidel immer wieder geschnitten mit einer familiären Konstellation in der Mitte des 20. Jahrhunderts: Den Gründungsmythos des britischen Inselreiches liest der Großvater dem jungen Arthur aus einem Märchenbuch vor. Der Vater des aufmüpfigen Achtjährigen Arthur ist als Bomber im Krieg abgestürzt, und nun schickt sich seine Mutter an, wieder zu heiraten. Wie Hamlet, so erscheint auch dem jungen Arthur der tote Vater – mal als kleine Puppe von König Arthur, mal als dessen Überpuppe. Und seine im übertragenen Sinne blinde Mutter wird zu dem von Arthur und Oswald gleichermaßen begehrten Liebesobjekt der blinden Emmeline, sein künftiger Stiefvater zum feindlichen angelsächsischen König. Das liest sich schlüssig, wie auch die Pressefotos hohen Spektakelwert versprechen.

Die Ausstattung von Co-Regisseur Julian Crouch und Kevin Pollard setzt in großbürgerliche Streifentapeten den Zauberschrank aus „Alice in Wonderland“, mischt britisches Kulturgut mit griechischem Mythos und einem abgestürzten Bomber als Wodanseiche als Zentrum des heidnischen Kults der Angelsachsen.

Bereits im Original dramaturgisch fragwürdig sind in die in John Drydens albumartig aneinandergereihte Szenenfolge á la Shakespeare eingestreuten musikalischen Anlässe für Schäferszenen; hier werden sie zunächst umgedeutet zu einem Tableau von Kriegsverletzten und Kriegsveteranen in Rollstühlen, mit denen deren Krankenschwestern unter Girlanden britischer Fähnchen um die Wette singen.

Die sieben Solisten des Abends unterstützen bisweilen den 20-köpfigen, von Martin Wright einstudierten Chor vokal. In der englisch gesungenen Aufführung mit deutschsprachigen Dialogen schlüpfen die Solist_innen dabei in bis zu sechs Rollen. Gefällig die Sopranistinnen Anett Fritsch und Robin Johannsen. Altist Benno Schachtner, Tenor Stephan Rügamer und Bassist Johannes Weisser singen schön, aber nicht herausragend – und jenseits des für Purcell gebotenen Staccatostils.

Zu den hier gegenüber der Purcell Society Edition (Bd. 26) umgestellten Nummern hat Dirigent René Jacobs wohl selbst die zusätzlichen 30 Musiknummern ausgewählt, aus Purcells Oden-Vertonungen und Kammermusik, bis hin zum „Happy Birthday to You“. Häufig werden die Szenen der Schauspieler melodramatisch untermalt, was insbesondere mit einem Trio dreier Gamben anmutig gelingt. Insgesamt herrscht bei der Akademie für Alte Musik Berlin weicher, wenig aufgerauter Klang vor. Spannung kommt allerdings kaum auf, denn es fehlt an Höhepunkten.

Szenisch drastische Elemente bringt der zweite Teil des Abends. Nach der Pause ohrfeigt Osmond (Oliver Stokowski) Emmeline (Meike Droste) mit seinem dauererigierten Phallus und ein Schäferterzett wird zum Werbespot für britische Schafswolle. Die opportunistische Wendung des Bösen zum Bündnispartner Arthurs gerät zur Kabarettnummer Oswalds, mit Ossi-Witz und der Wiederaufnahme des Running Gags der im „verfluchten Mittelalter“ noch nicht erfundenen hilfreichen Gegenstände, wie Uhren – was der eklige Geist Osmond als „Huren“ missverstanden hatte.

John Drydens von Wolfgang Wiens übersetzte, von Hans Duncker bearbeitete Schauspielszenen-Texte werden allerdings zumeist in so antiquierter Manier deklamiert, dass sich der Staatsopernbesucher im Schiller-Theater in das Wiener Burgtheater der Fünfzigerjahre zurückversetzt fühlt – ohne dass dies, etwa bei Hans-Michael Rehbergs Merlin, als ironischer Ansatz zu deuten wäre.

Wer von beiden Regisseuren wofür verantwortlich ist, bleibt im Dunkeln, vermutlich aber Sven-Eric Bechtolf für die Schauspielszenen und die wenig aussagestarken Opernarrangements, Julian Crouch mit dem 6-köpfigen „Skills Ensemble“ primär für Puppenspiel und Zaubertheatereffekte im Zusammenspiel von neobarocker und Video-Technik.

Mangels Gefühls für dramatisches Timing musste, was als kurzweiliges Entertainment initiiert war, ins Gegenteil umschlagen. So entstand ein extrem langer Purcell-Abend, dessen subjektive Dauer die reale Dauer von knapp 3 1/2 Stunden noch übersteigt.

Am Ende braver, durch lange Dunkelheit im Zuschauerraum gestreckter Applaus – in Abwesenheit der Leitung dieses Hauses, denn die hält sich, inklusive Pressechefin, mitsamt der Staatskapelle derzeit in New York auf, wo Barenboims kompletter Zyklus der Bruckner-Sinfonien auf dem Programm der Carnegie Hall steht.

  • Weitere Aufführungen: 17., 19., 21. und 22. Januar 2017. Die Vorstellung am 21. Januar wird live auf Mezzo und www.staatsoper-berlin.de übertragen.

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