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Christian Wolff. Foto: Kai Bienert
Christian Wolff. Foto: Kai Bienert
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Freiheitskämpfer – ein kleines Großfestival in München zu Ehren von Christian Wolff

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Ein Samstag Vormittag Ende Oktober 2014 am Geschwister-Scholl-Platz zu München, spätsommerliche Sonne am Horizont, der legendäre Lichthof der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) im legendären Licht, so um elf Uhr. Christian Wolff ist angesagt, achtzig geworden in diesem Jahr, geboren in Nizza, vor deutscher Politik flüchtend, vorauseilend, in den USA gelandet. Er erlebt jetzt, wie im leuchtenden München sein achtzigster Geburtstag gefeiert wird, mit einem außergewöhnlichen Festival.

Studenten der LMU-Musikwissenschaft, die eher mit der Analyse denn mit der Praxis dessen, was Musik ausmacht, zu tun haben, sind Interpreten einer Uraufführung des Komponisten Wolff. Auftraggeber: Die Ernst von Siemens Musikstiftung. Im halligen, die abendländische Geistesgeschichte architektonisch reflektierenden Ambiente, breiten sich Klänge aus, erzeugt aus Stimmen, Steinen, strahlkräftigen Instrumenten. Kontemplativ, irisierend, suchend, bewegend. Die Faszination steigert sich. Hier, wo die Weiße Rose zwei Etagen höher ihre ebenfalls legendären Flugblätter auf die Reise geschickt hat.

Doch Wolff ist kein im platten Sinne politischer Komponist. Er denkt das alles. Das ist nicht im Kern seine Musik. Die versteht sich frei, ohne einengende Begrenzungen, mit der Freiheit der Interpreten zu improvisierendem Tun. Die – studentischen – Darsteller fragen später im Auditorium eines Symposions in der Pinakothek der Moderne, fasziniert vom improvisatorischen Freiraum, nach dem, was die Qualität dieser Musik denn auszeichne. Und Wolff meint, das würde sich von Ensemble und von Aufführung zu Aufführung unterschiedlich darstellen.

Entwickeln. Einengende Begrenzungen gäbe es in seiner Musik nicht. Die Freiheit also. John Cage hat schon für die Befreiung von engen Grenzen gekämpft, hat die Erweiterung des Musikbegriffs vom Material her, vom Umgang mit Raum und Zeit weit gefasst. Alle treffen sie sich in seinem Bannkreis, im Umfeld der New York School, der Großtänzer Merce Cunningham, Robert Rauschenberg, der Pop-Artist, David Tudor, Morton Feldman, Earle Brown und all die anderen, die der Nachkriegskunst in all ihren Facetten den Weg gewiesen haben. Christian Wolff ist der letzte Überlebende dieser wieder mal legendären Zeit. Und legendär ist die Aura seines Hier-Seins. Im Ernst von Siemens Auditorium. Und wo auch sonst er erscheint an diesem verlängerten Wochenende.

Das Münchner Kammerorchester überbietet sich unter seinem Chefdirigenten Alexander Liebreich – auch mit der Uraufführung einer Auftragskomposition des MKO –, was zu Nachfragen führt, ob denn diese archaische, widerständige, anarchische Musik nicht viel zu schön gespielt wird, von diesen wundervoll ausgebildeten und historisch informierten Musikern. Was Christian Wolff relativiert – denn jedes Stück wird jedes Mal anders, je nach Lage der Dinge und im befreiten improvisatorischen Rahmen, sowieso immer wieder völlig anders erscheinen.

Hier erscheint der Beitrag des Münchner Altphilologen Oliver Primavesi nahezu genial im Kontext auf, der nach den Verknüpfungen von Griechischer Philologie und Poesie mit der neuen Musik fragt. Die ja ihrerseits grade sich befreit hatte von starren Regeln im Umfeld von Metron und Rhythmos. Wobei Christian Wolff in erster Linie ja Klassischer Altphilologe ist, vom Brotberuf her sozusagen. Die großen Befreiungsbewegungen der westlichen Musik aus den Zeiten nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs – jenseits von Jazz und Co – haben auch in diesen Münchner Tagen sozusagen Fragen gestellt, post mortem und rhetorisch. Ob denn all diese Freiheit auch wirklich zur Qualität des erklingenden Materials führen würde. Und ob denn einige Regulierungen der Zielgerichtetheit musikalischer Stringenz nicht doch förderlich sein könnten. Fragen die offen blieben. Die aber in den Hirnen arbeiten, bohren.

Wenn also zwei Menschen – Wolfgang Rathert, Professor für Historische Musikwissenschaft mit Schwerpunkt Neue Musik an der LMU München und die exzeptionelle (neue)Musik-Spezialistin Sabine Liebner – eine tolle Idee haben, die nämlich, dieses Festival so zu konzipieren, dann finden sich Sponsoren – von der Landeshauptstadt München bis zur Ernst von Siemens Musikstiftung, von der Forberg Schneider Stiftung bis zum Kultusministerium und dem MKO, um das zu ermöglichen.

Da irisiert Christian Wolffs Musik umso strahlkräftiger, dargeboten von der unvergleichlichen Percussionistin Robyn Schulkowsky, von Studenten, die bis ein Uhr nachts geübt haben bis zur phänomenalen Pianistin Sabine Liebner. Und dem jugendlich-achtzigjährigen Multitalent Christian Wolff. Und: Da kommt dann auch noch Dieter Schnebel vorbei. Einfach ganz auratisch.

Fazit: Die Avantgarde kann nicht Avantgarde bleiben. Da muss Alles offen bleiben. Und in Bewegung. Also: Fortsetzung erbeten …

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