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Festival junger Künstler Bayreuth
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„Friedelind: Eine Wagner!“ beim Festival junger Künstler in Bayreuth uraufgeführt

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Richard Wagner ist als Kunstfigur oft verkörpert worden, sei es in Filmen, in neuen Werken oder in seinen eigenen Opern. Dass auch Leben und Eskapaden einer Wagner-Enkelin einen Bühnenabend zu füllen vermögen, beweist eine Uraufführung beim Festival Junger Künstler Bayreuth, Claus J. Frankls „Friedelind: Eine Wagner!“

Im Vorjahr leuchtete den Festspielbesuchern in Bayreuth von jeder Litfaßsäule ein Porträt von Wieland Wagner entgegen – als Hinweis auf eine Ausstellung zum 100. Geburtstag des innovativen Bühnenkünstlers in der Stadtbibliothek RW21. Dort erinnert – ebenfalls anlässlich deren einhundertsten Geburtstags – in diesem Sommer eine Ausstellung an Friedelind Wagner, jene Wagner-Enkelin, die im Dritten Reich mithilfe von Arturo Toscanini in die USA emigriert war, dort die Biografie „Heritage of Fire“ verfasste, welche in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Nacht über Bayreuth“ bekannt wurde. Auf dem diesjährigen Ausstellungsplakat heben sich ihre markanten Wagner-Züge ab vor einem Porträt ihres Vaters Siegfried Wagner und dem des Großvaters Richard.

Nicht unkritisch setzt sich die diesjährige Bayreuther Ausstellung mit Friedelind Wagner auseinander. Sie rückt den Fokus auf die mehrjährige Präsidentin der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft in ihrer Rezeption des väterlichen Erbes. Friedelind Wagner brachte die lange Jahre familiär verfemten Werke ihres Vaters auf Schallplatten heraus und sorgte durch konzertante Wiederaufführungen für Diskussionsstoff.

Friedelind Wagner, die zeitlebens nur ein einziges Mal inszeniert hat (ihres Großvaters „Lohengrin“ in Bielefeld) schaffte es nunmehr sogar als dramatis persona eines ihr gewidmeten „musikalischen Psychogramms mit Musik“ auf eine Bayreuther Bühne. Dies hätte der extravaganten, selten ein Fettnäpfchen auslassenden Entertainerin sicher gefallen, obgleich einige der Szenen aus ihrem Leben, die Claus J. Frankl zur Szenenfolge „Friedelind: Eine Wagner!“ aneinandergereiht hat, ihr wenig behagt haben dürften.

In einer New Yorker Bar, wo die exilierte Komponisten-Tochter, -Enkelin und –Urenkelin als Aushilfskellnerin arbeitet, lässt die Collage Kapitel aus dem spektakulären Emigrantinnenleben Revue passieren. Dabei fehlt weder der O-Ton der von Katja Mann verfassten Rundfunkansprache Friedelind Wagners gegen Nazi-Deutschland, noch ihr Verkauf des ihr von ihrem zeitweiligen Verlobten Gottfried von Einem treuhänderisch überlassenen Familienschmucks oder die verpasste Chance der ihr vom Bayreuther Bürgermeister angetragenen Übernahme der Festspielleitung. Unausgesprochen bleiben homoerotische Eskapaden der Unverehelichten. Dafür thematisiert Autor und Regisseur Frankl umso stärker die von Friedelind tabuisierte Homosexualität ihres Vaters und rückt den Komponisten mit seinem charakteristischen Gürtel über dem Pullover ebenso in Szene, wie dessen geliebten Freund, den britischen Komponisten Clement Harris. Überhaupt gerät der Abend, der auch Gottfried von Einem erklingen lässt und – mit Bezug auf den Schauplatz USA – Cole Porter und den mit Friedelind befreundeten Leonard Bernstein , zu einer versteckten Hommage auf Siegfried Wagner, dessen nächstjährigen 150. Geburtstag der bisweilen selbst ins Spiel eingreifende Regisseur Frankl thematisiert, dessen anstehende Feier reklamiert.

Auf den einzigartigen Fall in der Musikgeschichte, dass ein Komponist, der eine Kunstfigur erschafft, während zeitgleich ein von ihm gezeugtes Kind ausgetragen und geboren wird, welches den Namen dieser Kunstfigur tragen und ihr im späteren Leben bis in Details hinein gleichen wird, verweist die Ausstellung Friedelind Wagner und ihr dramatisches Vor-Bild; Das »schwarze Schaf« von Bayreuth und seine Entsprechung in op. 13“, mit Bezug auf die Friedelind in Siegfried Wagners „Der Schmied von Marienburg“. Auch die Aufführung beim Festival Junger Künstler Bayreuth verzichtet nicht auf die eloquente Szene aus dem zweiten Akt dieser Oper, „Auf! Friedelind in Not!“. Allerdings singt Nicola Becht nur den ersten Teil dieser Szene, welche – nebst weiteren Mammut-Ausschnitten aus dieser und anderen Opern Siegfried Wagners – bei der Ausstellungs-Vernissage in der Interpretation von Rebecca Broberg zu erleben war. Unbeabsichtigt beweist damit die Becht (auch sie eine Künstler-Tochter: die des Bayreuther Alberich Hermann Becht) wie hoch die Ansprüche des Komponisten Siegfried Wagner sind, gemessen an den von der Sopranistin ebenfalls vorgetragenen Exzerpten aus Werken Richard Wagners. Ohne Abstriche genussvoll verströmt die russische Mezzosopranistin Elena Suvorova die in die Revue eingestreuten Wesendonck-Lieder Richard Wagners und erweist sich obendrein als ein Spieltalent, etwa in der Verkörperung der von Hitler begeisterten Mutter Winifred.

Der australische Bariton Daniel Nicholson in der Rolle von Friedelinds Vater-Idol interpretiert mit warmem Bariton Siegfried Wagners „Wahnfried-Idyll“ sowie dessen Meer-Lieder – als Pendant zum Lied „Forget Me Not“ von Clement Harris, welches Michael Zallinger, der auch eine köstliche Barkeeper-Parodie zu Enrico Cannios „O surdato ’nnummmurato“ zum Besten gibt.

Graham Cox leitet die zweieinhalbstündige Aufführung am Klavier hintergründig musikalisch kommentierend und facettenreich.

Das internationale Bayreuther Festspielpublikum nimmt allsommerlich auch die Leistungen des von Sissy Thammer geleiteten Festivals Junger Künstler Bayreuth kritisch in Augenschein. Als Premiere im 68. Jahr heftig und lange akklamiert, brachte die jüngste Uraufführungsproduktion nicht nur die Erkenntnis, dass sich mit Musik der Wagners (fast) alles erzählen lässt.

  • Weitere Aufführungen:  13. und 16. August 2018.

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